wer bin ich ? ich heiße Dieter

Mittwoch, 22. Februar 2012

erste Tour mit dem Rennrad im neuen Jahr

Die Türe zum Klosterpark stand offen. Schnurgerade öffnete sich ein Weg, der mitten in die Anlage hineinführte. Klosterstube, Klosterhof, Wirtschaftsgebäude, mehrere Seitentrakte scharten sich in der Anlage zusammen. Der Park gewann seinen Charme durch die Lage. Bäume kletterten die Hänge des Siebengebirges hinab, winterkahl und noch wie festgefroren inmitten von pappigen Schneeresten. Davor zerstreute sich der Weg, der aus der Eingangstüre kam, in alle Richtungen der großzügigen Gartenanlage. Ich trat nicht ein, sondern betrachtete radelnd das Gelände. Die Chorruine Heisterbach aus dem 13. Jahrhundert war vom Radweg aus schön zu sehen. Nur den Chor hatten die Jahrhunderte stehen lassen, von der restlichen Klosterkirche hatte kein Stückchen die Zeit überdauert, doch was übrig geblieben war - Apsis und Konchen - ließ ihre einstige Größe erahnen.

Am Rosenmontag hatte ich die Rennrad-Saison eingeläutet. Drei Monate hatte mein Rennrad in der Garage gestanden, nachdem ich Mitte November meine letzte Tour gedreht hatte (durch die Grafschaft). Das Kribbeln, wieder los radeln zu wollen, war in den letzten Wochen immer intensiver geworden. Doch Kälte, Regen oder Dunkelheit hatten mich daran gehindert.

Heute hatte das Wetter mitgespielt. Magere Häufchenwolken schoben sich über den Himmel und ließen die Sonne gewähren. Zwischen den Bäumen war der Schnee noch nicht dahin geschmolzen. Noch war es kalt – einige Grade über Null – aber Mitte Februar merkte man, wie die Sonne an Kraft gewann. Um nicht zu frieren, hatte ich mich dick eingepackt in warme Sportbekleidung, Pullover und Schal.

Es kribbelte in mir, und bei der ersten Tour im neuen Jahr musste ich planen, was ich schaffen konnte und wohin ich wollte. Rennradtouren lassen sich ja auf zwei Größen reduzieren: Streckenlänge und Höhenmeter. 50 km wollte ich heute schaffen, dazwischen lagen zwei Berge, die sich auf 250 Höhenmeter summierten. Wo wollte ich hin ? Mein Nahziel war die 68 km-Strecke des Jedermann-Rennens „Rund um Köln“, wozu ich mich zum Ostermontag angemeldet hatte (9. April).

Die Bergkuppe hatte ich erreicht, der erste Anstieg war geschafft. Freie Felder lösten den Laubwald ab. Das war dieses befreiende Gefühl, wenn das Rennrad den Berg herunterrollte. Das Siebengebirge von oben genießen, sozusagen die Belohnung für die Strapaze des Anstiegs.

Heisterbacherrott, Thomasberg, ins Tal hinunter nach Oberpleis. Hinter dem Ortsende meldete sich der zweite Anstieg, der sich in wackeligen Kurven den Berg hoch schob. Ich trat und trat und trat. Bei solchen Anstiegen hatte ich mir angewöhnt, mich aufs Treten und auf das Atmen zu konzentrieren. Beides musste gleichmäßig sein und zueinander passen. Das sind genau die Momente, in denen der Sport seine Faszination ausübt: seinen eigenen Körper herausfordern, ganz alleine ist man mit seinem Körper, das Leistungspotenzial des Körpers bringt einen auf Touren. Ich schlüpfe in einen ganz neuen Menschen hinein, der konzentriert an sich selbst arbeitet und der jeden Augenblick in neue Horizonte, neue Perspektiven und neue Höhen und Tiefen vorstößt. Am höchsten Punkt stehe ich über den Dingen: alles überblickend, kann ich mich neu sammeln, ordnen und sortieren.

Der Anstieg bei Westerhausen war geschafft. Auf dem Höhenrücken erfuhr ich das, was ich über den ganzen Winter kaum erlebt hatte: dass es außer der Stadtlandschaft noch ländliche Bereiche gibt. Der Blick glitt in endlose Weiten, Berge und Täler wechselten sich ab, die Seitentäler wuchsen an der Sieg zusammen. Dorfkirchen setzen Punkte in die gewellte Hügellandschaft hinein. Bauernhöfe breiteten sich mit ihren Hofanlagen im Ortszentrum aus.

An der Sportschule vorbei, wurde ich in Hennef daran erinnert, dass wir eigentlich Rosenmontag hatten. Kostümierte, Verkleidete, Jecke, Narren bevölkerten den Kreisverkehr. Aus Lausprechern dröhnte Karnevalsmusik. Noch war der Rosenmontagszug nicht aufmarschiert, so dass ich mich an all den Jecken zum Ortsausgang vorbei mogeln konnte.

Die Siegaue: blass, matt, ohne Farbe und Glanz verharrten die Wiesen noch im Winterschlaf. Da war mir bewusst geworden, wie sehr die Frostperiode die Natur niedergestreckt hatte. Ich erinnerte mich an die Natur Mitte Dezember zurück: da waren noch Reste des Herbstlaubs gegenwärtig, die ein gewisses Farbenspiel erzeugten. Dabei sickerte das Licht nur langsam durch (I can see the Sun in late December). Das Zusammenwirken von Licht und Natur war nun grundverschieden: das Licht hatte Kraft und Energie; die Natur war aber blaß und farblos; diejenigen Blüten, die sich hervorgewagt hatten, hatte der Frost ausgelöscht. 

In Sieglar begegnete ich wieder einem Nest von Jecken, der Rosenmontagszug war nicht allzu weit. An diesem Menschengewühl musste ich mich vorbei bugsieren, und so mancher Jeck hatte wohl gemeint, meine Sportbekleidung sei mein Karnevalskostüm. 

Zu Hause angekommen, stellte ich fest, dass alles zusammen gepasst hatte. 50 km in 2 Stunden und 10 Minuten, das ergab eine Durchschnittsgeschwindigkeit von 23 km/h. Die Strecke war ich durchgefahren – ohne Pause. Und ich fühlte mich auch nicht matt oder schlapp oder erschöpft. Kein Zweifel, da hatte sich positiv ausgewirkt, dass ich bis Mitte November meine Touren gefahren hatte. 

Zuerst etwas trinken, dann in die Badewanne. Ich hatte das Gefühl, dass mein Geist nicht nur in einen anderen Körper, sondern auch in einen anderen Kopf hinein gesteckt worden war. Ganz frei, nur ausruhen, an nichts denken, nichts blockierte, ich spürte eine allumfassende Zufriedenheit mit mir selber.

Vor dem Schlafengehen war ich gleichzeitig müde und aufgedreht. Schon vor dem Fernseher war ich in mich zusammen gesackt und gähnte vor mich hin. Im Bett überfiel mich eine mächtige Bettschwere, doch ich spürte, wie mein Herz pochte und auf vollen Touren lief. Erst kurz nach Mitternacht schlief ich ein ….

7 Kommentare:

  1. Ich würde auch gern zu Hause Fahrrad fahren, aber wir wohnen im Vorgebirge, da macht es nur den jungen muskulösen Herren Spaß. Die Feldwege sind zugewachsen, man kann kaum noch mit dem Hund spazieren gehen. Zur zeit ist alles patschig nass und mancher See versperrt den Weg. Also heist es lieber laufen, denn auf der Bundesstraße möchte ich lieber nicht fahren, da ist es sogar mit dem Auto gefährlich.
    Eine schöne Restwoche, liebe Grüße aus der Oberlausitz, Ulrike

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  2. Ich wollte auch schon mein Rad wieder aktivieren, habe aber noch gezögert und "keine Zeit" vorgeschoben. Morgen. Bestimmt. Aber nicht so weit und schnell, das schaffe ich nicht mehr! Gruß JurekP

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  3. Die Beschreibung deiner Wahrnehmung nach innen und nach außen liest sich richtig spannend. Ich habe nach der Chorruine Heisterbach gegoogelt. Schaut ja echt beeindruckend aus!

    lieber Gruß von Heidi-Trollspecht

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  4. Ein schöner, spannender Text. Das Radfahren habe ich mir abgewöhnt, obwohl ich eigentlich sehr gerne gefahren bin.

    Vielen Dank für deinen Kommentar. Bürogebäude habe ich auch noch einige im Archiv. Manche haben etwas, manchmal spiegeln sich die Wolken oder das Herbstlaub darin, aber oft beeindrucken auch nur die Größe und die Wiederholung.

    Anbei noch eine kurze Frage: Wie gefällt dir speziell mein jüngster Post?
    =^.^=
    Gruß wieczorama
    Mein Fotoblog

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  5. Bei uns ist das Radfahren mit vielen Hügeln auch etwas problematisch, aber ich bin immer sehr gerne Rad gefahren. Momentan wandele ich lieber auf Schusters Rappen. *g*

    Vielleicht war die Tour doch etwas zu viel an diesem Tag und du warst deshalb noch so überdreht um Mitternacht herum, aber auf jeden Fall sieht man, sie hat dir viel Spaß gemacht.

    Ja, so sieht es draußen bei uns auch noch aus, alles noch ein bisschen trostlos, aber der Frühling wird schon noch kommen. :-)

    LG Christa

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  6. Schön beschrieben, kann es gut nachfühlen. Bei uns fehlen die Berge aber dafür weht hier fast immer Wind :-) Habe gestern meine erste Tour gemacht, waren nur 45 Minuten weil ich vorher zu lange fotografieren war *lach*

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