wer bin ich ? ich heiße Dieter

Donnerstag, 2. Februar 2012

Abriss


Das Einzelschicksal kenne ich nicht. Das Haus steht leer, man hat es vergammeln lassen. Um das Unkraut hat man sich nicht gekümmert. Nun wuchert es an der linken Fensterfront hoch. Im Dornröschenschlaf dämmert dieses Haus vor sich hin und wartet auf den Abriss. „Hier entstehen demnächst hochwertige Eigentumswohnungen mit Aufzug“,  so verheißt das Plakat das Schicksal dieser Immobilie. Ein Bauzaun ist ein erster Vorbote des kommenden Abrisses …

Eine ehrwürdige Vergangenheit sieht man dem Haus an. Dieser Altbau, ein stolzes Bürgerhaus, prächtig hätte es aussehen können, wenn man eine Renovierung zustande gebracht hätte. Viel Mühe und Detailarbeit hatte man in das Haus hinein gesteckt: die geschwungenen Bögen des schmiedeeisernen Zaungitters, die sorgfältig ineinander geschichtete Ziegelsteinfassade, der Giebel. So geschwungen, wie die Form des Giebels nach oben gleitet, erinnert er sogar an Hansestädte wie Lübeck, Stralsund oder Brügge. Hohe Decken müssen dem Altbau ein behagliches Wohngefühl verliehen haben. Zu renovieren, war wahrscheinlich zu aufwändig und teuer. Nun sieht dieses stolze Haus dem drohenden Abriss entgegen.

In einer Top-Lage in Rheinnähe, soll die Immobilie als Neubau wieder zu neuem Leben erweckt werden. Käufer, die speziell den Rheinblick begehren, müssen bei einer solchen Immobilie da wohl eine Stecknadel im Heuhaufen suchen. In Blickweite fließt der Rhein gemächlich dahin. In der einen Richtung kann der freie, ungetrübte Blick zum Siebengebirge schweifen. In der anderen Richtung stoßen in der Rheinaue die Türme des Posttowers und des Abgeordnetenhauses heraus, dahinter buckelt sich der Kottenforst in die Höhe. Die Lage ist phantastisch. 5 Gehminuten benötigt man zu Geschäften und Supermärkten. In dem beschaulichen Ortskern können sogar einige alte, herausgeputzte Fachwerkhäuser bestaunt werden. Liebes Käuferherz, was willst du mehr ?

Ich kann nur spekulieren, wieso es zu dem Hausverkauf gekommen ist. Vielleicht ist der Bewohner gestorben, und die Kinder wohnen in einer entfernten Ecke der Republik. Vielleicht hat der Bewohner in einem Pflegeheim gewohnt, und die Immobilie ist für den Unterhalt im Pflegeheim draufgegangen. Vielleicht haben sich auch Dramen in dem Haus abgespielt: Schulden, Insolvenz, die Eigentümer konnten die Hypothek nicht mehr bezahlen, und sämtliche Versuche scheiterten, das Haus zu halten. Oder Zank, Streit, Ehescheidung: die Eheleute hatten den Ort des ständigen Zankes so satt, dass sie ihn nur noch wegwerfen wollten.

Das Umfeld der für den Abriss bestimmten Immobilie kann sich sehen lassen. Nebenan protzt eine prächtige Villa, umgeben von einem reichen Baumbestand. Kiefern wachsen in den Himmel und reichen bis zur Straße. In der anderen Richtung versteckt sich auf einer Anhöhe die katholische Kirche: mit seinem geduckten Turm aus der romanische Epoche fügt sich die Rheinpromenade zu einem harmonischen Gesamtbild zusammen. Neu gebaute Eigentumswohnungen stören allenfalls punktuell.

An den neu gebauten Eigentumswohnungen wird so mancher verdienen. Allen voran Baufirmen, Architekten, Ingenieure, Notare. In ähnlichen Lagen gibt es Eigentumswohnungen, die mit 80 qm Wohnfläche für 225.000 € angeboten werden. Wenn 8-10 Eigentumswohnungen auf dem Grundstück untergebracht werden können, verdient ein Makler nicht unerheblich daran. Dies macht etwa 60.000 – 65.000 € aus, wenn der Makler den üblichen Satz von 3% Provision abkassieren kann. Abziehen muss man zwar Kosten für Büro, Einrichtung und Sekretärin, danach bleibt trotzdem ein erklecklicher Anteil übrig. Für einen Porsche wird dies nicht reichen, aber für einen Van oder für eine Fernreise reicht dies allemal. Und ein Makler verkauft ja nicht nur diese eine Immobilie.



An dem abgerissenen Haus werden Erinnerungen haften bleiben. Da kann ich nur spekulieren. Kinder werden in dem Haus aufgewachsen sein. Man wird sich gefreut und gelacht haben. Man wird Geburtstage gefeiert haben. Bei Familienfesten hat man getrunken, gegessen und gelacht. Möbel, vielleicht antike Möbel haben zur Inneneinrichtung gehört. Vielleicht wären die Kinder gerne zu dem Ort zurückgekehrt, wo sie aufgewachsen sind. Geht nicht mehr. Abgerissen.

2 Kommentare:

  1. Ja Dieter, das ist diese , gleich hätte ich "verdammte" Zeit gesagt, alles alte, was es wert währe zu erhalten, schmeist man lieber weg, nur noch was Geld bringt ist etwas Wert, und wenn es so eine Seifeblase wie "facebook" ist. Wann besinnen sich die Menschen wieder an Werte, holen sich auch das Wissen der Menschen aus der Vergangenheit wieder und suchen nach Dingen, die lange Bestand hatten und gut waren. Ich glaube eher geht die Menschheit unter, ehe sie das tut, sich nämlich auf sich selbst besinnen und den Sinn des Lebens, der sicher nicht der Konsum ist.Aber im Himmels willen, das sind doch wohl ...
    Morgen ist Freitag, dann können wir uns wieder auf das Wochenende freuen,
    liebe Grüße Ulrike

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  2. Het is een huis waar ik over kan fantaseren.
    Ik denk inderdaad dat er veel herinneringen aan zo'n huis kleven!

    Mooie blog, Dieter!

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