Liebe Leser/-innen,
mein Blogger-Name "dieter759" ist bei der Erstellung des Blog eher aus der Not geboren, weil mir nichts besseres eingefallen ist. Über das Bloggen haben sich die Schwerpunkte zum Rheinland hin entwickelt, mit dem ich sehr verbunden bin und worüber ich viele Geschichten schreibe. Ich habe meinen Blogger-Namen daher umbenannt in "rheinland-blogger". Wie gehabt, findet sich in diesem Blog auch allerhand buntes und kunterbuntes für Nicht-Rheinländer.
Hier ist der Link zu meinem neuen Blog:
http://rheinland-blogger.blogspot.de/
wer bin ich ? ich heiße Dieter
Freitag, 2. November 2012
Dienstag, 30. Oktober 2012
das Haus vom Lehrer Welsch
In die Tiefen der Mathematik gelangt man nicht über Euklid, Aristoteles, Pythagoras, den Arabern, Euler, Lagrange oder Gaus. Schon
Aristoteles hatte sich an der Mathematik die Zähne ausgebissen: die Dinge sind
mit ihrer Gestalt unterschiedlich, also kann Eins nicht gleich Eins sein. Wenn
man eine Herde von zwanzig Ziegen zusammenzählen will, kann man überhaupt 1+1
rechnen ? Schließlich stehen weiße, gefleckte, bärtige, schwarze, gehörnte
Ziegen usw. auf der Weide. Genauso schwer tat sich der französische Mathematiker
und Philosoph Descartes, ein richtiges Verständnis der Mathematik herzustellen:
bevor man mit dem Zählen beginnen kann, müssen Definitionen und
Prinzipen geklärt werden, was überhaupt zu zählen ist. Voller Skepsis fasste er
zusammen: alles, was lediglich wahrscheinlich ist, ist wahrscheinlich falsch.
Die Wurzeln des allumfassenden Gesetzes in der Mathematik
findet man nicht bei den großen Mathematikern, sondern in Grafschaft-Arzdorf. Und
zwar in einem hübsch heraus geputzten Fachwerkhaus mit rotem Gebälk. Von
Wachtberg aus kommend, neigt sich die Straße eine Senke hinab. Hinter
Apfelbäumen, die den Berg hinab fallen, taucht linkerhand der Pferdehof Welsch
auf. Hinter einer sanften Kurve steht das Geburtshaus des Lehrers Welsch, zu
dessen Lied alljährlich zu Karnevalszeiten kräftig geschunkelt, gesungen und
getanzt wird.
Aristoteles wäre sicher vor Neid erblasst, denn der Lehrer
Welsch war tausendmal schlauer als sämtliche Mathematiker zusammen und hat den
finalen Beweis in der Mathematik erbracht:
0 + 0 + 0 = 0
Wer will diese Berechnung widerlegen ?
Heinrich Welsch wurde 1848 in diesem Haus in der Grafschaft
südwestlich von Bonn geboren. Am königlich-preußischen Lehrerseminar in Brühl wurde
er zum Lehrer ausgebildet. 1877 wurde er in den preußischen Schuldienst in Köln
übernommen.
0 + 0 + 0 = 0 (oder „Dreimol Null es Null bliev Null“), damit
schuf Lehrer Welsch seine eigene Sprache, um seine Schüler – entsprechend ihrem
Bildungsniveau - zu unterrichten. Die Schule, an der er unterrichtete, lag im Stadtteil
Kalk, der während der Industrialisierung Ende des 19. Jahrhunderts boomte.
Zwischen den Fabriken in Köln-Kalk lernte er Armut, Proletarisierung, miserable
Arbeitsbedingungen, katastrophale Wohnbedingungen und insbesondere den
verwahrlosten Zustand von Kindern in der Schule kennen.
1905 gründete er die erste Hilfsschule. Er wurde zum Rektor,
er kümmerte sich um seine Schüler und deren soziale Situation. In den
Folgejahren wurden in den Arbeitervierteln Kölns weitere Hilfsschulen
gegründet.
Dass der Lehrer Welsch unsterblich wurde und Eingang in den
Kölner Karneval fand, hat er einem Zufall zu verdanken. Die drei „Laachduuve“ (Willi
Herkenrath, Hermann Kläser und Heinz Jung) wollten in der Karnevalssession
1937/38 – der Lehrer Welsch war 1935 übrigens verstorben – ein Karnevalslied
über einen Lehrer schreiben, der aus einem typisch Kölner Stadtviertel stammte. Bei der Komposition des Liedes kam ihnen der Einfall, dass sich „Welsch“
auf „Kölsch“ reimt. Man mag vielleicht kurz nachdenken, ob dies tatsächlich so
ist – aber der Kölner nimmt vieles nicht so genau.
Geschummelt wurde auch beim Titel des Karnevalsliedes „En d’r
Kayjass Nummer Null“. Bis 1917 war er Rektor an der Hilfsschule in Köln-Kalk
gewesen. Die Kaygasse liegt aber linkrheinisch, auf der gegenüberliegenden
Rheinseite gar nicht so weit weg vom Dom. Dort lag eine weitere Hilfsschule,
und die drei Laachduuve rechneten dies der Einfachheit halber seinem Verdienst
zu.
Bis heute ist das Lied vom Lehrer Welsch eines der
populärsten Karnevalslieder:
En d'r Kaygaß Nummer Null steiht en steinahl Schull
Und do han mer drin studeet.
Unsre Lehrer dä heeß Welsch
Sproch en unverfälschtes Kölsch,
un do han mer bei jeleert.
Un mer han off hin und her üvverlaht,
un han vür de Lehrer jesa - a - aht
Nä nä dat
wesse mer nit mih, janz bestemp nit mih,
denn dat hammer nit studeert.
Denn mer woren beim Lehrer Welsch en d'r Klaß
un do hammer su jet nit jeleert.
Dreimol Null es Null bliev Null,
denn mer woren en d'r Kaygaß en d'r Schu - u - ull
Dreimol Null es Null bliev Null
denn mer woren en d'r Kaygaß en d'r Schull.
Es besteht kein Zweifel: die Unumstößlichkeit dieser
Hypothese ist nicht von der Hand zu weisen:
0 + 0 + 0 = 0
Vielleicht findet der Lehrer Welsch irgendwann Eingang in
eine „Hall of Fame“ der größten Mathematiker.
Montag, 29. Oktober 2012
Wochenrückblick #43
Health Award
Die ersten vier Wochen sind
nun vorbei, dass alle sportlichen Aktivitäten erfasst werden und in
Kilokalorien umgerechnet werden. In unserer Abteilung nehmen insgesamt 20
Arbeitskollegen an diesem„Gesundheits-Preis“ teil. Die Sieger-Teams sollen mit
einem Überraschungs-Event belohnt werden sowie mit Geldbeträgen, die an einen
sozialen Zweck gespendet werden sollen. Als Radsportbegeisterter bin ich
alleine auf weiter Flur. Die meisten halten sich in Fitness-Studios fit, es
sind aber auch einige Jogger oder Halbmarathon-Läufer dabei. Die Teilnehmer
sollen ein Tagebuch führen und dies durch Fotos dokumentieren. Dadurch hat sich
beim Fotografieren der Blickwinkel verschoben: ich fotografiere nicht mehr das,
was ein interessantes Thema für einen Blog hergibt, sondern durch Ortsschilder,
Hinweisschilder oder sonst wie mitsamt Fahrrad eindeutig zuordenbar ist, um die
gefahrenen Kilometer nachzuweisen. Die Motive für die Foto-Blogs sind mir zwar
noch nicht ausgegangen, die unterschiedlichen Blickwinkel schließen sich aber
einander aus. Die Auswahl ist mittlerweile riesig, bei denen mein Fahrrad mit
eindeutig identifizierbaren Hintergrundmotiven kombiniert ist.
Kunden der Deutschen Post
Mein Bruder arbeitet in einem
Postamt am Schalter und hat sich auf seinem Arbeitsplatz mit verschiedensten
Kundenanliegen auseinander zu setzen. Selbst nutze ich in meiner eigenen Firma
gerne Gelegenheiten, mich in ein Call-Center zu begeben und etliche
Kundengespräche an der Telefonanlage mitzuhören. Diese Kollegen in den Call-Centern
bewundere ich, wie sie über den ganzen Tag hinweg dem Druck des Kunden
ausgesetzt sind und wie sie insbesondere damit umgehen. Eine Reihe von Kollegen
habe ich dort erlebt, denen es gelingt, Kunden durch freundliches Auftreten und
durch fachliche Kompetenz zufrieden zu stellen, wenn diese sich zu Recht
beschwert haben. Ich habe dort gelernt, dass der Umgangston gegenüber dem
Kunden vieles bewirkt sowie eine fundierte Recherche, wie dem Kunden in seiner
Situation geholfen werden kann. Es hat durchaus Fälle gegeben, die nicht zur
Zufriedenheit des Kunden gelöst werden konnten. Bei den Kunden der Deutschen
Post fällt mir auf, dass der Anteil von Hartz IV-Empfängern, Ausländern aus
allen Ecken der Welt oder Menschen mit finanziellen Engpässen überproportional
hoch ist. In Fällen, in denen die Anliegen nicht zur Zufriedenheit des Kunden
gelöst werden können, wird dieses Kundenklientel massiv, droht, wird frech, zeigt sich
unnachgiebig, wird vulgär. In einem Fall, in dem einem Kunden kein Geld wegen
Kontoüberziehung ausgezahlt werden konnte, drohte dieser meinem Bruder: „ … ich
brauche Geld … ich brauche was zum Bumsen …“. In einem anderen Fall, als ein
Kunde nicht warten wollte, weil die Warteschlange bis zur Straße stand, zog
dieser seine Hose herunter und machte auf dem Fußboden sein Geschäft.
Ökowelle und Ökosiegel
In meinem Blog „Ethik und Konsum“ hatte ich thematisiert, wie sehr der Verbraucher in die Irre geführt
wird bei Öko-Produkten. In einem Artikel in der letzten Wirtschaftswoche wurde
nun das Dickicht von Öko-Produkten durchforstet. Das Ergebnis war
niederschmetternd. Es gibt einen regelrechten Wildwuchs von Öko-Siegeln, für
die es keine durchgängigen Regeln gibt, nach welchen Kriterien diese vergeben
werden dürfen. Den Unternehmen geht es nur darum, dass irgendetwas mit Grün
oder Öko auf der Verpackung erscheint, unabhängig davon, ob die Botschaft
überhaupt stimmt.
Beispiele für solche
Öko-Lügen sind:
- die Bio Aloe-Vera
von Nivea enthält Zutaten auf Erdölbasis
- wenn man die im
Handel erhältlichen Textilien aus Biobaumwolle von C&A und H&M weltweit
zusammenzählt, ist das Volumen an Biobaumwolle deutlich größer als die
weltweit angebaute Biobaumwolle
- Öko-Küchenrollen
oder Öko-Klopapier enthalten zu einem gewissen Anteil Papierfasern aus Tropenholz
- ALDI und REWE
hatten kompostierbare Plastiktüten in den Handel gebracht, die in
Kompostieranlagen nicht verrotteten.
Ein Beispiel dafür, dass die
gesamte Öko-Bilanz betrachtet werden muss, ist die Diskussion um den Bio-Sprit
E10. Einerseits fällt CO2 in den Ölraffinerien weg, andererseits wird in der
Dritten Welt tropischer Regenwald gerodet, um Palmöl oder Zuckerrohr anzubauen.
Kontrollinstanz sind Institutionen wie die Deutsche Umwelthilfe, Greenpeace
oder der BUND. Ihnen ist es gelungen, die eine oder andere Öko-Lüge zu
entlarven und die Produzenten zu bewegen, diese Produkte vom Markt zu nehmen.
Doch sie stoßen auf eine der Grundprobleme unserer Wirtschaftsordnung: die
Schar derer, denen solche Öko-Lügen nützen, ist größer als die Schar derer, die
den Aufstand proben und Sand ins Getriebe streuen.
Islamische Moschee in
Köln-Ehrenfeld
Im WDR-Fernsehen wurde eine Dokumentation
über den Bau der Moschee gezeigt, die die größte Moschee in NRW sein wird.
Infolge baulicher Änderungen hat sich die Fertigstellung über mehrere Jahre
verzögert; sie soll nun ca. Mitte 2013 fertig gestellt sein. Vor dem ersten
Spatenstich gab es in der Öffentlichkeit eine breite Diskussion und es regte
sich auch heftiger Widerstand – dementsprechend ablehnend äußerte sich zum
Beispiel der Schriftsteller Ralph Giordano. Umfragen zeigten, dass die Mehrheit
der Bevölkerung den Bau durchaus begrüßte und als Zeichen der Integration sah. Da
ich selbst drei Jahre in Köln-Ehrenfeld gewohnt habe, hat mich das
Zusammenleben von Deutschen und Ausländern, bewegt. Der Ausländeranteil ist
hoch, sie kommen aus fast der ganzen Welt. Im Gegensatz zu den kleineren
Strukturen in Klein- oder Mittelstädten wird in Köln alles durchmischt. Eine
Ghettoisierung wie anderenorts findet hier nicht statt. Iraker, Türken,
Italiener, Chinesen, Greichen, Afrikaner, alles existiert gleichwertig
nebeneinander und kaum etwas isoliert sich. Man wird überproportional wenige
bis zu den Augen verschleierte Frauen sehen. Grundsätzlich bin ich
Islam-skeptisch, aber an dieser Stelle setzt die Moschee genau das richtige
Zeichen.
Ärger mit dem früheren
Vermieter
Nachdem unser großes Mädchen
ausgezogen ist, hat sie Ärger mit ihrem früheren Vermieter. Er hat von ihrer
Kaution eine Nachreinigung abgezogen, weil die Wohnung angeblich nicht sauber
genug war, dann Kosten für eine überproportionale Benutzung der Waschmaschine,
schließlich hat er 50 €, die laut Mietvertrag für Renovierung einbehalten
werden dürfen, nicht mit den tatsächlichen Renovierungskosten verrechnet,
sondern diese oben drauf gepackt. Ich komme auf ca. 150 €, die wir nachfordern
wollen. Frage: gibt es unter Euch Bloggern jemanden mit juristischen
Kenntnissen ? Unsere nächsten Schritte wären: Nachforderung stellen, Frist
setzen, mahnen, Mahnbescheid erwirken (wenn Vermieter nicht zahlt). Und dann
ginge es Richtung Rechtsanwalt oder Gericht – aber wir haben keine
Rechtsschutzversicherung. Da werden die 150 € Nachforderung schätzungsweise
durch die Kosten für den Rechtsanwalt wieder „aufgefressen“, wobei ungewiss
ist, ob wir sie an irgendeiner Ecke über die gerichtliche Durchsetzung der
Forderung wieder zurück bekommen. Für 110 € dem Mieterbund beitreten, das hatte
ich noch im Internet gefunden (150 € minus 110 € ist fast ein Nullsummenspiel).
Evtl. ist die Verbraucherberatung für Studenten kostenlos – das habe ich aber
nur gehört. Kann mir jemand einen Tipp geben ?
Sonntag, 28. Oktober 2012
Hochwasser auf dem Rhein 1920 und 1926
Im Schaufenster einer Bäckerei in unserem Ort wurden Fotos
der beiden Rheinhochwasser aus den Jahren 1920 und 1926 gezeigt, in denen unser
Ort zu großen Teilen überflutet wurde. Angesichts dieser schlimmen
Katastrophe wurde in den Folgejahren durchgesetzt, dass ein Deich gebaut wurde.
Mit den technischen Gerätschaften, die damals zur Verfügung standen, packte das
ganze Dorf an. Bei weiteren Hochwassern auf dem Rhein konnte dadurch eine
solche Katastrophe verhindert werden. In dem Haus, in dem wir bis 2008 gewohnt
hatten, waren wir bei Hochwassern durch Grundwasser betroffen, welches in den
Keller eindrang. Wir hatten einen Altbau bewohnt, der 1955 gebaut worden war
und dessen Keller poröse Betonwände hatte. Der Altbau lag ungefähr im tiefsten Punkt in unserem Ort und war Luftlinie einen halben Kilometer vom
Rhein entfernt. Am 16.1.1920, am 1.1.1926, am 23.12.1993 und am 20.1.1995 erreichte
der Pegel des Rheins in Köln Rekordstände mit rund 10,70 Meter. 1993 und 1995
liefen die Pumpen in unserem Keller auf Hochtouren, um das Wasser heraus zu
pumpen. 1995 waren zeitweilig bis zu vier Pumpen in Betrieb. Bei den übrigen
Rheinhochwassern hielt sich das Grundwasser, welches in unseren Keller
eindrang, in Grenzen. 1998 wurde der Deich abgetragen und komplett neu gebaut,
wobei sich im Sommer die Arbeiten verzögerten. Im Herbst war der Deich noch
nicht komplett fertiggestellt, als sich Anfang November ein Hochwasser
ankündigte, das mit 9,49 Meter das siebthöchste Hochwasser in Köln im 20. Jahrhundert
wurde. In einer Nacht-und-Nebel-Aktion wurden unter Einsatz sämtlicher
verfügbarer LKW’s riesige Massen an Erdreich herangeschafft, um die Deichlücke
zu schließen. Der Deich hielt. Bei jedem Hochwasser haben wir den Atem
angehalten, obschon nur die drei 1993, 1995 und 1998 kritisch waren. Seit unserem
Umzug 2008 ist der Spuk vorbei, denn nun wohnen wir hochwassersicher.
Dies sind die Fotos aus den Jahren 1920 und 1926 im
Schaufenster der Bäckerei:
Samstag, 27. Oktober 2012
Grundschule
Dies ist nicht die Grundschule, die unser kleines Mädchen
besucht, sondern diejenige in unserem Nachbarort. Der Schulweg ist ein Stück
Vertrautheit. In der Grundschule werden Weichen für das restliche Leben
gestellt. Die Klassenlehrerin ist Vertrauensperson und Kümmerer – jedenfalls in
unserer Klasse. Man lernt in der Klassengemeinschaft. Es ist eine prägende
Phase im Leben eines jeden Menschen. Da ich diese emotionale Ebene betrachte,
habe ich zur Grundschule in unserem Ort eher positive Assoziationen. Vor
mehreren Wochen war ich aber in der Grundschule unseres Nachbarortes. Die
positiven Assoziationen waren mit einem Mal weggeblasen. Die Tristesse überwog.
Mir wurde bewusst, wie platt und einfallslos Schularchitektur sein kann.
Die Türen haben nichts Einladendes, sondern sind nur
Bestandteil eines funktionalen Gebildes.
Die Funktionalität wird kaum durchbrochen. Bei Schule und Funktionieren denke ich an Pink
Floyd „Another Brick in the Wall“: we don’t need no education, we don’t need no
thought control …
Dreh- und Angelpunkt ist der Schulhof. Was sollen diese
breiten Straßenmarkierungen ? Die Schüler auf den rechten Weg führen ? Mich
nerven sie jedenfalls als Betrachter.
Solche Fassaden findet man als Kopie wahrscheinlich an einer
Unmasse anderer Grundschulen bzw. Schulen.
Diese Säulen sind ebenfalls einfallslos und langweilig.
Mülleimer und Fußmatten - wieder diese Reduzierung auf das Zweckmäßige, was notwendig ist.
Für ein wenig Auflockerung sorgt dieses Klassenfoto.
Diese Hinweistafel auf das Bildungspaket verbinde ich mit
Bürokratie. Die Grundschule bewegt sich auf Augenhöhe mit der Bürokratie, mit
deren Ineffizienz und deren verzweifelten Versuchen, die Bedürfnisse ihrer Bürger zu
erreichen.
Unser kleines Mädchen ist genug damit beschäftigt,
Rechenaufgaben zu lösen, Sätze zu schreiben und ihre Schulbücher zu lesen. Mit
Freude ist sie beim Lernen dabei. Das finde ich das wichtigste. Unabhängig davon, wie die Schularchitektur aussieht.
Freitag, 26. Oktober 2012
50. Blog-Leserin !
Hurra ! Die 50. Leserin hat
sich auf meiner Leseliste eingetragen. Herzlich Willkommen, liebe Jeanette !
Genauso begrüßen möchte ich
die anderen neuen Leser:
-
Samate
-
Rebellenblog
-
Alex bloggt’s
-
Nova
-
Helga Hold
-
Christa
Mavropoulou und
-
Aritha Vermeulen.
Dies möchte ich zum Anlaß
nehmen, auf ein Jahr Bloggen zurückzublicken. Ja, es fasziniert mich bei jedem
Blog aufs Neue. Es prickelt in mir, das Bloggen ist für mich eine Reise ins
eigene Ich. Welche Gefühle ich habe, in welchen Stimmungen ich mich befinde,
wie ich die Dinge sehe. Sich auf die Dinge des Alltags zu konzentrieren, das
habe ich beim Bloggen gelernt. Es fängt mit einer Idee an, ich muss den Blick
für Details schärfen, Worte finden, und vor allem so erzählen, dass der Leser
auch angesprochen wird.
Eigentlich existiert mein
Blog anderthalb Jahre. Die ersten Versuche empfinde ich im nachhinein noch als unausgereift. Ungefähr im Herbst des letzten Jahres lesen sich die Texte flüssiger, so dass Stil und Form einen Leser auch ansprechen können.
Wenn ich mich mit anderen
Bloggern vergleiche, ist meine Leserzahl vergleichsweise klein. Das liegt
wahrscheinlich daran, dass ich meist in einer erzählenden Form schreibe, in der
der Text gegenüber den Bildern überwiegt, was beim Leser relativ viel
Aufmerksamkeit erfordert. Triviale Themen wird der Leser vergeblich suchen, anstatt
dessen Themen, in die ich all meine Leidenschaft hinein gesteckt habe: was mich
am Rheinland fasziniert, Geschichte, Zeitgeschichte, Geschichten,
Philosophisches und auch, in welche Gegenden mich mein Hobby des Rennradfahrens
führt.
Den Rückblick möchte ich dazu
nutzen, einige Highlights beim Bloggen aufzuzählen.
Der absolute Spitzenreiter
bei den Seitenaufrufen ist mein Geburtstag. Sagenhafte 1.859 mal ist die Seite
aufgerufen worden. 0:00 Uhr auf meinem Geburtstag, das war feierlich, schön,
romantisch. Wunderbar, dass man einen solch schönen Moment in einem Blog festhalten kann.
Die Form des
Geschichten-Erzählens kommt mir in meinem Blog noch etwas zu selten vor.
Dennoch gibt es Geschichten, die ich als gelungen empfinde und die auch beim
Leser gut angekommen sind.
Der Testkäufer war ein
eigenes Erlebnis im Postamt, wo ich mich angewidert gefühlt hatte, weil ich auf
ein Girokonto bei der Postbank angesprochen wurde, obschon ich nur Briefmarken
kaufen wollte und sonst nichts. Das war mein erster Blog, dessen Besucherzahl
explodierte.
Beim Blog über Lieven Deflandre hielt sich die Besucherzahl in Grenzen. Seine Geschichte erschüttert
mich bis heute. Über Facebook hatte ich von seinem Selbstmord erfahren. Ganz
dezidiert lassen sich seine nihilistischen Stimmungen in Facebook nachlesen. Er
hatte kaum Kontakte, lebte in der Welt des Netzes und äußerte sehr breit in
Facebook sein Welt-ablehnenden Einstellungen.
Über das Bloggen habe ich zu
meiner eigenen Identität als Rheinländer gefunden. Vom Niederrhein kommend, bin
ich sozusagen von der einen Ecke des Rheinlands in die andere Ecke des
Rheinlands gewandert. Die Mentalität des Rheinländers beschreibt treffend das Kölsche Grundgesetz. Die meisten Grundsätze sind auch bei mir in Fleisch
und Blut übergegangen.
Dies und das, bunt gemischt
sind viele Themen. Wanderung auf dem Rotweinwanderweg, Zeche Zollverein in
Essen, Stoffmärkte, Karl-May-Festspiele, Urlaub am Bodensee, was ich in der
Familie alles erlebe.
Bei all meinen sportlichen
Ambitionen wundere ich mich bisweilen, dass meine Blogs über Rennradtouren
relativ viel gelesen werden. Bei meiner Leserschaft habe ich jedenfalls nicht
erkennen können, dass jemand ähnlich sportliche Neigungen hat.
Die Neugierde, Zusammenhänge
zu begreifen, treibt mich voran. Was aus der Geschichte kommt, erfüllt mich mit
besonderer Spannung. Wie Katharina Henot 1627 als Hexe verbrannt wurde. Wie
Schloß Herzogsfreude im Kottenforst im 18. Jahrhundert verscherbelt wurde.
Emotional sehr schwer belastet mich die Geschichte über die Rurfront. Ich habe
keine direkte Verbindung mit Düren. Aber seit meiner Kindheit haben mich immer
wieder die Wege nach oder über Düren geführt. Dass die Stadt zu 100% im 2.
Weltkrieg zerstört worden war, erschreckt mich bis heute. Ganze vier Häuser
waren zum Ende des 2. Weltkriegs in Düren noch bewohnbar. Düren ist heutzutage
eine Mittelstadt mit 93.000 Einwohnern.
Natürlich freue ich mich über
jeden Kommentar. Kommentieren möchte ich aber nicht als Zwang betrachten, denn
auch mir selbst fällt nicht zu jedem Blog etwas ein, was als Kommentar zu dem
betreffenden Blog passt.
Einen Kommentar, der mir
herausragend gefallen hat, möchte ich hier nochmals zitieren.
Nicole schrieb zu meinem Post
über das Manager Magazin:
„Ich
brauche keine Manager Zeitung, ich bin mein eigener Manager in meinem
Familienunternehmen. Mein Gehalt ist sehr klein, aber ich bekomme ganz viel
Liebe und die ist unbezahlbar.“
Da
ich nicht nur Text schreibe, sondern auch fotografiere, möchte ich Euch noch eine Auswahl von Fotos zeigen, die mir besonders gefallen:
Alter
Zoll in Bonn
Monschau
Redoute
in Bad Godesberg
Sonnenaufgang
über dem Siebengebirge
Maibaum
Friterie
in Visé / Belgien
Soldatenfriedhof
in Henri-Chapelle / Belgien
Romanische
Kirche in Kircheib / Westerwald
Fähre
über den Rhein
Ich freue mich auf die nächsten Blogs, die ich schreiben werde. Ich hoffe, dass die Kreativität nicht nachläßt und das meine Einfälle nicht versiegen.
Donnerstag, 25. Oktober 2012
mit dem Rennrad nach Erftstadt-Lechenich
Die Radtour begann turbulent. Richtung Bad Godesberg, ich
befand mich im Kreisverkehr, Einmündung von rechts, dort nahm mir eine
Autofahrerin die Vorfahrt. Ich bremste ab. Jung, hübsch, blond, schulterlanges
Haar, schaute sie mich an. Doch sie zeigte keinerlei Regung und fuhr
unverdrossen weiter. Einen Kilometer weiter, setzte ein Paketzusteller der DHL
rückwärts aus einer Hauseinfahrt zurück, ohne mich zu beachten. Ich hatte fast
das Stadtgebiet verlassen, da überquerte ein Fußgänger an einer Abzweigung die
Straße. Mitten auf der Straße, überlegte er es sich anders, machte eine
Kehrtwendung und schritt, ohne auf jeglichen Verkehr zu achten, zu derselben
Straßenseite zurück. Was war los heute ? Wurden Radfahrer als Freiwild
betrachtet, das man nach Lust und Laune über den Haufen fahren konnte ?
Sonne und schönes Wetter hatte mich aufs Fahrrad gelockt.
Die 20 Grad-Marke war locker geknackt, und gereizte oder aggressive Stimmungen,
wie ich diese im Straßenverkehr erlebt hatte, waren fehl am Platze.
Wahrscheinlich war dies eine der letzten längeren Radtouren in diesem Jahr. Eine
flache Tour hatte ich mir ausgesucht: 80 Kilometer insgesamt, nach
Erftstadt-Lechenich.
So ungefähr die schönste Jahreszeit hatte ich erwischt. Auf
dem Höhenrücken des Kottenforstes angekommen, schillerte bunt, im kompletten
Farbspektrum von Grün über Gelb bis Rot der Herbst. Das war herrlich. Dabei
genoß ich das gut ausgebaute Radwegnetz im Kottenforst. Ohne nennenswerte
Hügel, fernab jeglichen Autoverkehrs, schweifte ich in der puren Lust des
Rennradfahrens. Das Herbstlaub glänzte, die abgestorbene Blätterpracht sammelte
sich am Wegesrand. Seicht tanzend in der Luft, hatte der Wind sie zuvor herab
geweht.
Ab Flerzheim öffneten sich die Felder. Die Sonne sammelte
ihre Kräfte und schien ungehemmt in den Herbsthimmel hinein. Schleierwolken
verloren sich am Himmel. Im Sonnenlicht wirkten die Reihen von Ziergehölzen und
Sträuchern, die zu Baumschulen gehörten, noch penibler angeordnet. Sorgfältig
abgemessen, wie mit dem Lineal gezeichnet, erstreckte sich dieses allzeit
überdauernde Grün von Koniferen, Wacholdern, Zypressen oder Buchsbäumen.
Herbstliche Stille hing über der Nebenstrecke, die sich bisweilen in Kurven zu
verirren drohte.
Heimerzheim, dann ein Abstecher zur Wasserburg in
Metternich. Das Rheinland war geradezu übersät mit Wasserburgen. Die meisten
Wasserburgen waren Privileg und Repräsentation. Dass sie so zahlreich waren,
hing zum einen mit dem flachen Gelände zusammen, zum anderen, dass auch dem
niederen Adel solche Privilegien zugestanden wurden. Dadurch wurden sie über
Jahrhunderte hinweg gepflegt, instandgehalten und umgebaut. Da sämtliche
Wasserburgen im Köln-Bonner Raum nicht öffentlich zugänglich waren, schenkte
ich ihnen kaum Beachtung. Am Wegesrand, war ich in Lüftelberg und Heimerzheim an
Burganlagen vorbeigefahren. Steinalt war die Wasserburg in Metternich, nämlich
aus dem 13. Jahrhundert. Die Seitentrakte wurden im 19. Jahrhundert umgebaut.
Kurz ließ ich mich von den herbstlichen Impressionen rund um den Wassergraben
beeindrucken, dann radelte ich weiter.
In Weilerswist verfluchte ich die Straßenführung, die
offensichtlich nur für Autofahrer gemacht war. Sie kreiste in riesiger
Entfernung um Weilerswist herum. Ich wollte aber ins Zentrum hinein, dann
weiter nach Lechenich. Unbeschildert, tastete ich mich ins Zentrum. Danach
wiesen die Schilder nach Köln oder Brühl, das war die falsche Richtung. Ich
fuhr in die entgegengesetzte Richtung, und prompt befand ich mich auf der
Umgehungsstraße weit um Weilerswist herum. Das war ein riesiger Umweg.
Im nächsten Ort, Bliesheim, fehlten wieder die
Straßenschilder. Ich fragte einen Anwohner, und diesmal landete ich auf der
richtigen Straße in Lechenich. Wegen des riesigen und schönen Marktplatzes
hatte ich mir dieses Ziel ausgewählt. Pause wollte ich machen, ein Weizenbier
trinken. Doch Außengastronomie war in Lechenich unbekannt. Ein Eiscafé quoll
über von Menschen, außerdem eine Bäckerei, das war es. Das war eine Schande für
einen solch schönen Marktplatz. Der Durst auf ein Weizenbier war mir vergangen,
denn ich hatte keine Lust, mir in dem Eiscafé in diesem Gewimmele von Menschen
einen freien Platz zu suchen.
Also weiter nach Liblar. Auf dem Weg dorthin setzten sich
die typischen Radfahr-Erlebnisse fort.
Die Umgehungsstraße von Lechenich endete. Dahinter rauschte der Verkehr über
die Autobahnauffahrt auf die A61. Die Straße weitete sich auf vier Spuren. Rechterhand
zunächst die Auffahrt in Richtung Koblenz, dann die Auffahrt in Richtung Köln.
Ich suchte verzweifelt. Weder auf der einen Seite, noch auf der anderen Seite
gab es einen Radweg. Also mitten hindurch ! Durch den Autoverkehr. Niemand
hupte, LKW’s brausten fleißig an mir vorbei, einige hundert Meter weiter wurde
ich erlöst durch die Abbiegespur eines Radwegs.
In Liblar wurde ich an die Wurzeln der Revolution von 1848
erinnert, die eigentlich keine war. Carl Schurz war in Liblar geboren. 1849 war
er gemeinsam mit Gottfried Kinkel eine der maßgeblichen Wortführer der
Revolution im Rheinland. Als er wegen Volksverhetzung verfolgt wurde, floh er
nach Baden. Dort zettelte er eine neue Revolution an, das war die badische
Revolution. Erneut verfolgt, floh er nach London und Paris. Da selbst dort preußische Truppen präsent waren, wanderte er 1852 nach
Amerika aus.
In Liblar sollte ich endlich mein Weizenbier bekommen. An
einem schmucklosen Platz, wo die Hauptstraße zum Bahnhof abbog, waren an einem
Eiscafé reichlich Plätze frei. Zu zweit oder zu dritt, gesellten sich Schüler
dazu. Ich streckte meine Beine in die Länge. Die goldene Oktobersonne schien
ungestört.
Wunderschön, wie zuvor im Kottenforst, tauchte ich hinter
Liblar in die Idylle des Herbstes ein. Auf dem eigenen Radweg war ich für mich
alleine. Zwischen den Bäumen hindurch, schillerte rechterhand die Oberfläche
des Liblarer Sees. Ansatzweise konnte ich erkennen, welche Seenlandschaft man
aus dem früheren Braunkohlentagebau geschaffen hatte. All die Seen zwischen
Brühl und Liblar kannte ich kaum. Nicht nur zur Herbstzeit, muss es dort
wunderschön sein.
Wieder dieses Farbenspiel von Rot nach Grün nach Gelb nach
orange. Ich genoß es, denn in einigen Wochen würde es mit dieser Pracht vorbei
sein.
Mittwoch, 24. Oktober 2012
in der Einsamkeit des Schwarzwaldes
Wo waren wir gelandet ? Das Ortsende von Freiburg-Kappel
hatten wir längst verlassen. An der Molzhofsiedlung gabelte sich die Straße.
Unsere Straße zwängte sich in einen schmalen Teerweg hinein, auf dem keine zwei
Autos mehr nebeneinander passten. Der Teerweg schlich den Berg hinauf in einen
Urzustand von Landschaft, die durch nichts gestört wurde. Wir folgten dem Bach,
der das Tal hinab plätscherte. Die Berghänge des Schwarzwaldes bauten sich auf
wie eine Wand. Ich hatte Angst, der Teerweg könnte untergehen in dieser Masse
von Grün, Natur, Wildheit, Temperament. Bis das Haus mit der Hausnummer 40
auftauchte.
Danach kam lange nichts, außer diesem steilen Anstieg, den unser
Auto gerade im zweiten Gang bewältigte. So ungefähr, als wir nicht mehr damit
rechneten, standen wir vor unserem Gasthof mit der Hausnummer 48. Von außen sah
er so aus, was ich typischerweise mit Schwarzwaldhäusern verband: ein breiter,
ausladender Baukörper, Elemente von dunklem Holz auf der Fassade, das weit
herabgezogene Dach, ein hölzerner Balkon, jede Menge Blumenkübel.
Viermal sollten wir hier übernachten. Kein Zweifel, ich war
gerne mitten in der Natur. Andere Gegenden wie die die Eifel schätze ich. Ruhe
und Verlassenheit konnte ich dort finden, pure Natur und lieblich zusammengescharte
Dörfer in dieser buckeligen Mittelgebirgslandschaft. Aber soviel davon ? In
einer solchen Überfülle ?
Ich gewöhnte mich kaum daran, dass ich hinter der
Zivilisation, die an den letzten Häusern von Freiburg-Kappel endete, noch ein
gehöriges Stück mit dem Auto durch die Gegend kurven musste. Auf 720 Metern
Höhe lag unser Gasthof. Schrecklich stellte ich mir vor, wenn der Hof in Winter
eingeschneit wäre. Ich war nie im Ski-Urlaub gewesen. Wenn ich andere davon
reden hörte, beschrieben sie in aller Romantik, wie sie eingeschneit waren.
Wenn es draußen knackig kalt war, heizte die Wärme im Inneren die Gemütlichkeit
an.
Aber es musste nicht gleich Schnee sein. Bange wurde mir zumute,
als es in der letzten Nacht schneeweiß gefroren war. Zu Hause kannte ich die
Gefahr des Glatteises, wenn sich an einigen tückischen Stellen regelmäßig Autos
im Straßengraben wiederfanden. Und hier ? Bei einer Abfahrt mit acht bis zehn
Prozent Gefälle ? Es passierte nichts. Die Reifen griffen auf dem Asphalt, und
heil kam ich in Freiburg-Kappel an.
Auch an den anderen Tagen war es lausig kalt auf 720 Metern
Höhe. Selbst drinnen, beim Frühstück, fror ich eine Zeit lang, weil der mit
Holz geheizte Ofen nur zögernd Wärme spendete. Während in Freiburg ein laues
Lüftchen wehte, pfiff hier der Wind. Der Bach hinter dem Haus war laut, weil er
mit all seiner urwüchsigen Kraft ins Tal stürzte. In einer Nacht trommelte der
Regen auf das Dachfenster, so dass ich nicht mehr einschlafen konnte. Das
schlimmste war: kein Handynetz. Der Gasthof lag in einem Funkloch. Mit unserem
großen Mädchen in Freiburg-Littenweiler konnten wir nichts absprechen. Am
Vortag nannten wir eine Uhrzeit, wann wir ungefähr aufkreuzen würden.
Die Zivilisation war eingekehrt, als wir Morgens ein gelbes
Postauto gesichtet hatten. Die Menschen bekamen also die Post zugestellt. Strom
gab es natürlich auch über die oberirdische Stromleitung, die sich von Mast zu
Mast schwang. Auch die Müllabfuhr schaffte es soweit, wobei ich mich fragte,
wie sie es in der Enge des Tals schaffte, zu wenden und umzukehren.
Unsere Gastgeber waren sehr, sehr nett. Es war ein Ehepaar,
beide ungefähr Mitte sechzig, die bis 2005 den Gasthof als Gaststätte betrieben
hatten. Sie hatten Spaß daran, sich mit uns zu unterhalten und aus ihrem Leben
zu erzählen. Einmal, als wir einen Schreibtisch zusammenbauten, als vorgebohrte
Löcher fehlten, konnten wir uns in der Werkstatt, die in einem eigenen Schuppen
untergebracht war, bedienen, wie wir wollten.
Beim Abschied wurde mir klar, dass ich in einer Welt
jenseits des Kapitalismus angekommen war. Wo nicht alles konsequent
durchgerechnet werden musste. Wo einen Kosten und Umsätze nicht durch die
Gegend trieben. Wo Geld nicht als das Maß aller Dinge betrachtet wurde.
Wir bezahlten genau den Preis, der auf der
Buchungsbestätigung im Internet stand. Obschon wir eine Person mehr waren.
Obschon ich an einem Abend eine Flasche Radler aus der Gaststätte getrunken
hatte. Obschon der Aufbau des Schreibtisches lahmgelegt worden wäre, wenn wir
die Löcher nicht hätten bohren können. Unsere Gastgeber lehnten es ab, dass wir selbst einen Cent mehr bezahlten.
Es gibt Dinge, die erschließen sich nicht beim ersten Mal. Man
muss genau hinsehen, damit umgehen lernen. Wenn man schließlich den versteckten
Charme kennen gelernt hat, bleibt dieser um so nachhaltiger haften.
Montag, 22. Oktober 2012
Wanderung auf dem Rotweinwanderweg
Dass so viele Menschen das
Ahrtal stürmen würden, hätte ich nicht für möglich gehalten. Früher, das ist sieben
bis acht Jahr her, sind wir regelmäßig zur Herbstzeit den Rotweinwanderweg
gewandert. Allenthalben waren wir Wanderern und anderen Genießern des Herbstes
begegnet. Aber heute ?
Mit der Parkplatzsuche fing
es an. An der Einmündung hinter der Römervilla, ungefähr einen Kilometer von
Ahrweiler entfernt, war kein Platz mehr frei. Alles war zugeparkt bis zum Rand
der Weinberge. Hoch oben, den Berghang hinauf, auf einer Art von Plateau, waren
schließlich noch eine Handvoll Parkplätze frei, die an das „Dokumentationszentrum
Regierungsbunker“ angrenzten. „Regierungsbunker“ hörte sich interessant an,
doch diesmal ging es wieder den Berg hinunter, bis wir auf die rote Weinrebe
stießen. Sie markierte den Rotweinwanderweg, der über insgesamt 35 Kilometer
über Berge, Täler und insbesondere Weinberge an der Ahr führte. Davon wanderten
wir das Teilstück von Ahrweiler nach Dernau.
Gemeinsam mit unseren
Freunden J. und F. und ihren beiden Töchtern hatten wir uns zusammengefunden. Achja,
ein Pudel wanderte auch mit und mischte unsere Gruppe fleißig auf, denn unsere
Kleine war vernarrt in Haustiere. Im Zickzack umschwärmte sie den Pudel,
kreiste um ihn herum, und schaffte es in der Gruppe sogar, sich kontinuierlich
vorwärts zu bewegen.
So etwas hatte ich am
Rotweinwanderweg noch nicht erlebt. Ende Oktober schien die Sonne ungehemmt vom
Himmel, als ob noch Sommer wäre. Wir schwitzten mächtig an den Anstiegen, wenn
die Sonne in unsere Gesichter schien. In Scharen hatte das goldene
Oktoberwetter die Menschen nach draußen gelockt. Auf dem Höhenzug angekommen,
schwärmten die Wanderer in Restaurants und Lokale aus, die sich mitten in die
Weinberge platziert hatten. Verwundert schaute ich in den Innenhof des ersten
Restaurants, denn dort waren an einem Einzeltisch sogar noch Plätze frei. In
dem zweiten Restaurant herrschte regelrechte Volksfeststimmung, denn es hatte
sich eine Menschenschlange gebildet, wo Federweißer und Federroter ausgeschenkt
wurde. Menschen prosteten sich in langstieligen Gläsern zu. Auch hier, vor den
beiden Restaurants, knubbelten sich die Autos auf den Parkplätzen. Die Autos
störten mich, denn mitten durch das Gewimmel von Wanderern bahnten sie sich
ihren Weg. Konnte man Teerweg weiter unten nicht absperren ? Wieso unterband
man nicht die Faulheit des Autofahrens ? Ein Spaziergang war ohnehin viel anregender als eine Autofahrt.
Hinter den beiden Restaurants
lichtete sich der Strom der Wanderer. Es wurde beschaulich, ja, sogar
wunderschön. Jedes Viereck von Weinbergen hatte seine eigene herbstliche
Färbung. Blaßgrün, rostrot, blutorange, kristallgelb schillerte jeder Weinberg
in seiner eigenen Farbenpracht. Wege zerschnitten in der Waagerechten den
Reigen von Farben. Felspartien türmten sich zu Aussichtspunkten auf. Dahinter
schossen die Weinberge so steil den Berg hinunter, dass ich keine Erklärung fand,
wie man diese noch bewirtschaften konnte.
Der Rotweinwanderweg neigte
sich bequem den Berg hinunter. Bald scharten sich die Wanderer zusammen. Augenblicklich
stoppte die Wanderung, denn hoch oben über dem Ahrtal lud ein Verkaufsstand zu
einer Weinprobe ein.
„Einen Federroten oder Federweißen
?“ fragte J.
„Federroten trinke ich irre
gerne“ fügte sie hinzu.
„Ich auch“ stimmte ich
spontan zu – trotz Autofahren und weil der Alkoholgehalt eher klein war.
„Du auch ? … Du auch ?“ der
Rest nickte zustimmend.
Doch daraus wurde nichts.
Federweißer und Federroter war ausgetrunken. Also wanderten wir weiter, denn
nach Rotwein oder Weißwein war uns nicht zumute.
Am Rotweinwanderweg
unterschätzt man gerne die Seitentäler. Wie sich der Wanderweg in die Täler
hinein windet, wie sehr er sich in die Länge dehnt, wie lange es dauert, bis
das Tal durchschritten ist und sich der Hang des nächsten Berges zu neuen
Anstrengungen einlädt. In Marienthal war dies soweit. Wieso die Klostermauern
von Marienthal als Ruine dastehen, wurde ich gefragt. Ich konnte nur
spekulieren: Kriege, Brand, Verfall, Reformation waren gängige Ursachen. Jedenfalls
standen von Marienthal nur die Grundmauern, das angrenzende Gebäude mit
Innenhof setzte dieselben Bruchsteinmauern fort. Auch dieser Innenhof war
bevölkert von Wanderern, die es sich in dem Restaurant schmecken ließen.
Dernau nahte. Gerade sechs
Kilometer hatten wir bis Dernau geschafft. Diesmal waren wir mit Kindern
unterwegs, so dass wir sportliche Ambitionen beiseite schoben. Den
Rotweinwanderweg hatten wir verlassen. Die Ruhe, die mit einem Mal in Dernau
einkehrte, war merkwürdig. Kaffeehaus St. Quirinus: um die Hausecke herum stand
die doppelflügelige Eingangstüre offen. Im Innenraum des Cafés waren noch
Tische frei. Also hinein ! Auf der Getränkekarte lasen wir, dass das Haus mit
den massiven Bruchsteinmauern aus dem 18. Jahrhundert stammte. Dass Quirinus kein
Heiliger war, sondern ein römischer Feldherr, denn im Ahrtal hatten schließlich
die Römer gesiedelt. Als wir später das Café verließen, konnten wir uns von
Quirinus verabschieden, denn in einer Nische zeigte sich an der Vorderfront
seine Figur. Mit Schild und Schwert in der Hand, hielt er den römischen Krieger
bis in die Gegenwart lebendig.
Überall Winzerhöfe,
Besenwirtschaften, Weinausschank, Federweißer und Federroter. Es war hier wie
an der Mosel oder an der Deutschen Weinstraße, nur einige hundert Kilometer
weiter nördlich in Rheinland-Pfalz.
Das größte Abenteuer stand
uns noch bevor, denn wir wollten mit dem Zug zurück nach Ahrweiler, wo auf den
Höhen der Ahrberge unsere Autos standen. Der einzige Fahrkartenautomat am
Bahnhof war der entscheidende Engpass. Als wir uns einreihten, war die Warteschlange
bestimmt vier oder fünf Meter lang. Zunächst verlief alles nach Plan. Die
anderen Bahnkunden warteten, tippten an dem Automaten herum, bis dieser
irgendwann eine Fahrkarte ausspuckte. So bewegte sich die Warteschlange
stückweise vorwärts. Bis es zwei Bahnkunden vor uns nicht mehr weiter ging. Was
dort wirklich passierte, bemerkten wir etwas weniger wie zehn Minuten später,
als wir die genauen Eingaben an dem Automaten beobachteten. Ein Bahnkunde
wollte eine Gruppenfahrkarte für fünf Personen lösen. Bei der Eingabe der Zahl „5“
erhielt er eine Fehlermeldung, weil man mindestens zehn Personen
zusammenbekommen muss, um als Gruppe zu gelten. Diese Fehlermeldung ignorierte
er Kunde, er tippte permanent auf den Button „Weiter“, der aber deaktiviert
war. Dann brach er ab, startete die Fahrkartenauswahl über „Gruppenfahrkarte“, „Abfahrtsort“,
„Zielort“ usw. ständig neu, bis er jedes Mal an der Zahl „5“ für eine
Gruppenfahrkarte scheiterte. Als wir uns einschalteten, wählte er zunächst das
richtige Menü für „Einzelfahrscheine“ aus. Wir brachten ihn sogar soweit, dass
er einen Einzelfahrschein bezahlen konnte. Da zankte ihn der Fahrkartenautomat,
denn er nahm keine Geldscheine, sondern nur noch Kleingeld. Immerhin hatte er
seine EC-Karte dabei. Dabei vergaß er aber, die Zahlungsart der EC-Karte zu
bestätigen. Er tippte zig-Mal seine PIN ein, daraufhin erhielt er eine
Fehlermeldung, bis er auf „Abbruch“ drückte und den ganzen Fahrkartenkauf neu
startete. In dieser ganzen Verwirrung bekamen wir ihm nicht gezeigt, dass er
unter „weitere Fahrscheine“ fünf Mal denselben Fahrschein kaufen konnte und nur
einmal bezahlen musste. Eine geschlagene Viertelstunde hatte dieser Bahnkunde
gebraucht, um zwei Fahrkarten anstelle fünf Fahrkarten zu kaufen. Danach war
die Warteschlangen aus den Fugen geraten. Tumulte in der Warteschlange waren
während der Wartezeit glücklicherweise ausgeblieben. Ich bewunderte die
Engelsgeduld dieser Bahnkunden.
Die Bahnfahrt und die
Reststrecke zu unseren Autos klappten reibungslos. Als wir den Parkplatz
erreichten, war dieser kaum wieder zu erkennen. Große Lücken klafften zwischen
den Autos. Die Menschenströme hatten sich langsam verflüchtigt. Vom Rand des
Parkplatzes warf ich einen letzten Blick auf das Kloster Kalvarienberg in
Walporzheim. Der massive Gebäudekomplex stemmte sich quer in die Weinberge
hinein. Wir verließen das Ahrtal und hatten viele unvergessliche Eindrücke
zusammen gesammelt.
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