wer bin ich ? ich heiße Dieter

Donnerstag, 31. Mai 2012

Ethik und Konsum

In regelmäßigen Zyklen flammt diese Diskussion bei uns zu Hause auf. Diesmal war es Kindersklaverei in der Elfenbeinküste. Kinder wurden als Sklaven gehalten und halfen auf den Kakaoplantagen bei der Ernte. Erbost waren wir alle und wollten keine Schokolade mehr essen und keinen Kakao mehr trinken.

Solche Themen finden sich auch in meinen Blogs wieder. So hatte ich über den ARD-Marken-Check berichtet, in dem Unternehmen wie H&M, Ferrero oder SATURN an den Pranger gestellt wurden. Regelmäßig geht es dort um menschenunwürdige Arbeitsbedingungen und Ausbeutung, insbesondere in der Dritten Welt. Den Fernsehbericht über Kindersklaverei in der Elfenbeinküste hatte ich vor, genauso in meinem Blog zu platzieren. Der Effekt wäre aber so gewesen wie bei unseren Diskussionen zu Hause: Vor Wut hätte ich gekocht. Auf die Firmen, die daran verdienen, hätte ich geschimpft. Danach wäre aber wieder alles verpufft und hätte seinen gewohnten Gang genommen. Bis der nächste Fernsehbericht ausgestrahlt wird und die Wirkung danach wieder verpufft. Wie ein Rad, das sich endlos dreht, aber nicht von der Stelle kommt.

Ethik und Konsum – als Verbraucher kann ich eigentlich Macht ausüben, für welchen Anbieter ich mich bei meinem Kauf entscheide. Bei näherem Hinsehen stelle ich aber fest, dass ich auf ein unentwirrbares Dickicht stoße. Und dass ich eher selten eine Kaufentscheidung nach den Kriterien der Vernunft treffen kann.

Klar: die Öko-Bewegung hat einiges bewirkt – so dachte in der Automobilindustrie in den 70er Jahren noch niemand an Katalysatoren, bleifreies Benzin oder Rußpartikelfilter. In der Textilindustrie gibt es mittlerweile weltweit ca. 100.000 Qualitätszertifikate, mit dessen Hilfe über alle Wertschöpfungsstufen die Umweltfreundlichkeit von Textilfasern bewertet wird. Fairtrade stellt sicher, dass Arbeiter in der Dritten Welt bei der Ernte von Bananen, Kaffee oder Kakao angemessen entlohnt werden – ohne Kinderarbeit. Bei uns im Rhein-Sieg-Kreis gibt es eine Ethik-Bank, die mit ihrem Kapital nur ethisch vertretbare Vorhaben finanziert.

Trotz dieser positiven Beispiele kriege ich als Verbraucher keinen Griff an meine Kaufentscheidungen. Zu viel Zeitaufwand geht drauf, um mir solche Informationen zu beschaffen. Schlimmer noch: die Botschaften stimmen nicht, denn es wimmelt nur so von Widersprüchen. Einerseits sponsert Ferrero Projekttage an Schulen, die gesunde Ernährung und Bewegung in den Vordergrund stellen, andererseits bezieht Ferrero seine Haselnüsse aus der Türkei, wo Kinder bei der Ernte helfen. Der Touristik-Konzern TUI wirbt mit nachhaltigen Hotels in Urlaubsgebieten und vergisst gleichzeitig die Betonwüsten an mediterranen Stränden, die er selbst mit aufgebaut hat. Der Energiekonzern RWE bietet Öko-Strom aus Laufwasserkraftwerken an und war in der Vergangenheit ein vehementer Verfechter von Atomkraftwerken.

Ethik und Konsum – das Dickicht nimmt kein Ende und die Verwirrungstaktik von Meinungsmachern und Konzernen scheint aufzugehen. Nicht mehr als Nischenexistenzen sind die positiven Beispiele, die glaubwürdig klingen und keine Doppelmoral betreiben. So eine Art Subkultur, Auflehnung, Randgruppe, aber keine Massenbewegung. An den Leitbildern großer Konzerne darf ich mich ohnehin nicht orientieren. All diese kleinen Ethik-orientierten Ansätze muss ich wie ein Puzzle zusammensetzen – bis ich zum Schluss merke, dass weit mehr als die Hälfte der Puzzlestücke fehlt. In den kleinen Bewegungen wird fleißig getreten und etwas bewegt, aber in Summe – im Großen – bleibt das Rad auf der Stelle stehen. Die globalisierte Wertschöpfungskette leistet ein übriges, um Ethik und Konsum zu verwässern. Wie die Warenflüsse um den Globus kreisen und welche Teile aus welchen Ländern in welchen Produkten landen, dazu bedarf es genauer Stücklisten, um dies festzustellen. Und diese hat der Verbraucher üblicherweise nicht.

Ethik und Konsum – zum Schluß manövriert sich der Verbraucher selbst ins Abseits. Der Einfluss von Faktoren wie Nachhaltigkeit auf die Kaufentscheidung wird wahrscheinlich überschätzt. Vergesslichkeit kennzeichnet die Masse der Verbraucher, denn man muss denken, um nachhaltig einzukaufen. Eltern aller Einkommensschichten kaufen asiatisches Billigspielzeug. Klamotten-Ketten wachsen, in denen sich Kunden für 30 € komplett einkleiden können. Apple meldet Absatzrekorde für iPhones und iPads, obwohl jeder weiß, dass Arbeiter sie zusammengeschraubt haben, die schuften müssen, bis sie zusammenbrechen. Bei LIDL, ALDI & Co nehmen die Warteschlangen kein Ende, wenn Montag morgens die Schnäppchenjagd eröffnet wird.

Ethik und Konsum – offensichtlich sind dies Welten, die nicht zusammenpassen. Da kann das Fernsehen noch so viele Markenchecks zeigen. Zuletzt war Adidas an der Reihe. Da können noch so viele Unternehmen an den Pranger gestellt werden – wegen Kinderarbeit oder sogar Sklaverei. Wieder erschreckt eine Fieberkurve der Empörung den Fernsehzuschauer. In gewohnter Heftigkeit wird bei uns zu Hause diskutiert – mehr passiert nicht.

Business as usual.

Mittwoch, 30. Mai 2012

mit dem Rennrad über ein Stückchen Westerwald nach Eitorf

Die Temperaturen waren auf Hochtouren gekommen. Obschon kalendarisch noch Frühling herrschte, hatte der Sommer aufgedreht. Die Sonne ergoss ihre Wärme vom Himmel, Schäfchenwölkchen stachen weiße Farbtupfer hinein. Leichter, beschwingter kletterte ich hinter Oberpleis die Steigung hinauf. Das Bilderbuchwetter verlieh meiner Kondition einen zusätzlichen Schub.

Für meine Rennradtour hatte ich diesmal die rechtsrheinische Seite ausgewählt. Fernab von Königswinter, zerrannen weit auseinander liegende Dörfer am Rande des Siebengebirges. Eudenbach, auf der linken Seite des Höhenzuges hatte sich das Hanfbachtal tief in die Talsohle eingegraben. Mehrere Immobilien waren in Eudenbach zu verkaufen – ein Indiz dafür, dass ich in immer ländlichere Strukturen eindrang. Ein erneuter Anstieg, der bequem zu bewältigen war, eine langgezogene Linkskurve, ich tauchte in dichten Mischwald ein.

„Willkommen in Rheinland-Pfalz“ begrüßte mich auf dem Schild eine Familie mit offenen Armen. Ab hier lernte ich Neues kennen – den Westerwald. Es war kurze Stippvisite von etwa 10 km, bis ich wieder nach NRW zurückkehrte. Der Westerwald – auf diesem Höhenzug entfaltete er nicht dieses rassige Temperament, das ich von der Eifel kannte. Der Höhenzug buckelte sich gemächlich, leicht und behände bewegte ich mich über die Hügel. Ich radelte an merkwürdig klingenden Ortsnamen vorbei: Muß, Diepenseifen, Oberelles, Krummenast, dabei dachte ich an Harry Potter, eine fremde Welt aus Fabelwesen, Zauberern oder Hexerei. Nicht irreal, sondern stabil schraubte sich in diese Landschaft der weiße Kirchturm von Buchholz hinein, der die Weite der Landschaft überstrahlte.

Der Anstieg zur B8 war etwas heftiger, dann stürzte die Straße ins Tal Richtung Eitorf hinab. Die Kurve drehte sich immer enger ins Tal, ich musste höllisch aufs Tempo achten, ich bremste ab und schoß immer noch den Berg hinunter. In diesem Moment höchster Konzentration erlebte ich etwas, das mich den Atem anhalten ließ. Die Kurve drehte sich in die andere Richtung zurück, und mit diesem irren Tempo von mehr wie 50 km/h war ich mir ständig der Gefahren bewusst, diese Geschwindigkeit noch kontrollieren zu können.

Es war wie ein Geschoß. Hinter mir kommend, heulten Motoren auf, der Lärm zischte über die Straße hinweg. Wie im Tiefflug, überholten mich zwei Motorradfahrer. Sie neigten sich so tief, dass sie in der Kurve fast den Boden berührten, und sie waren so schnell wieder verschwunden, dass ich sie kaum gesehen hatte. Das waren Wahnsinnige ! Und das war kein Einzelfall: in Mittelgebirgsregionen waren mir des öfteren solche lebensmüden Motorradfahrer begegnet, die kurvenreiche Straßen mit dem Nürburgring oder anderen Rennstrecken verwechselten. Lieber klebten sie am nächsten Baum als dass sie gesund und wohlbehalten zu Hause ankommen wollten.

Die Motorradfahrer hatten die Idylle empfindlich gestört, denn die Abfahrt nach Eitorf ins Siegtal war traumhaft schön. Kurven schlängelten sich ins Tal hinab, ich brauchte kaum zu treten, der Wald spannte ein Dach über die Straße und spendete angenehmen Schatten.

Pause in Eitorf. Eitorf war eigentlich kein Ziel für eine Radtour, denn es gab dort nichts nennenswertes zu sehen. Der Ort verschwand in seiner Ausdruckslosigkeit. Der Marktplatz war mit Zweckbauten hastig dahin geklatscht, es gab keine gewachsene, alte Substanz. Und heute kam dazu, dass das einzige Lokal am Marktplatz – das sogar Biker herzlich willkommen hieß – geschlossen war. Ausdruckslosigkeit und Perspektivlosigkeit – das war das Bild, das Eitorf in der Arbeitslosenstatistik abgab, denn Eitorf war so etwas wie die Armenregion des Rhein-Sieg-Kreises. Schoeller Wolle – ein alteingesessenes Unternehmen aus dem 19. JH hatte in den 90er Jahren Konkurs angemeldet. In den 2000er Jahren folgte BOGE. Der größte Arbeitgeber wurde aufgekauft und die Stoßdämpferproduktion schrumpfte bis auf einen mickrigen Rest zusammen.

Wohin ? Ich beschloss, das Siegtal ein Stück weiter zu fahren. Da ich mit Imbißbuden keine schlechten Erfahrungen gesammelt hatte, legte ich dort eine Pause ein. Beschaulich war dieser Standort überhaupt nicht, denn Autos brausten ständig auf der Hauptstraße vorbei, und die Bahnlinie war nur einen Steinwurf entfernt.

„Haben Sie Weizenbier ?“
„Nein.“
„Etwas anderes leckeres kühles ?“
„Bitburger.“
„Her damit …“

An dem Stehtisch machte ich es mir gemütlich. Ich goß die 0,33 l-Flasche ins Glas. Die Dame von der Imbißbude hatte Recht, denn das Bier war optimal gekühlt. Ich trank einen ausgiebigen Schluck, das erfrischende und prickelnde Gefühl wirkte nachhaltig, ich fühlte mich wie neu geboren. Mit drei Flaschen kühlte ich meinen Körper bei dem warmen Sommerwetter von innen. Irgendwann nahm ich all den Lärm und all den Autoverkehr gar nicht mehr wahr.

Die Pause und das Bier weckten neue Kräfte in mir. In einem Stück strampelte ich bis zu Hause durch. 70 Kilometer hatte ich geschafft. Und ich hätte noch etliche Kilometer dran hängen können.

Dienstag, 29. Mai 2012

ESC

No Go – dieser Begriff, mit dem Beate meinen Blog zum Phantasialand kommentiert hatte, traf den Kern: meiden, sich fernhalten, nicht hinsehen. Für den ESC habe ich mich nie interessiert – was angesichts meiner musikalischen Vorlieben, die ich in meinem Blog zum Ausdruck bringe, folgerichtig ist.

No Go – diesem seichten Gedudele, das in diesem europaweiten Showzirkus daher plätschert, habe ich längst eine Absage erteilt. 1974: Abba entzündete mit Waterloo vielleicht noch eine bahnbrechende Wirkung, denn Abba wurde danach weltberühmt und landete einen Hit nach dem anderen. Melodie, Rhythmus und Eingängigkeit konnte man Abba jedenfalls nicht absprechen. 1976 herrschte bei mir blankes Entsetzen, als Brotherhood of Man mit „Kisses for me“ den ESC gewann. Das war zum Weghören, ein unterirdisches Niveau an Plattheit. Mir ist es bis heute ein Rätsel, dass solche Platten überhaupt verkauft wurden. 1982 wurde dann zum Horror-Trip: die Saarländerin Nicole gewann mit  „Ein bisschen Frieden“ den ESC, und seitdem schmeiße ich sämtliche ESC-Interpreten in denselben Topf wie Helene Fischer oder Andrea Berg.

Als Lena Meyer-Landruth vor zwei Jahren den ESC gewann, bewegte sie sich nach Jahrzehnten ein Stückchen oberhalb dieses unterirdischen Niveaus. Klar, sie punktete auch mit ihrem Aussehen, und Stefan Raab hievte sie mit seiner Geldmaschine so ins internationale Geschäft hinein, dass er wohl selbst auch kräftig mit dran verdiente. „Satellite“ klang frisch, jung und nicht so abgestanden wie die übrigen Eintagsfliegen auf dem großen Parkett des ESC. Am Rande registrierte ich sogar zufrieden, dass Lena mit „Bert, oh Bert“ die Sesamstraße aufmischte. Ernie war mit Bert beim Apfelpflücken verabredet, doch Bert war verschwunden. Anstatt dessen tauchte Lena auf. „Bert, oh Bert“, diese Variation von „Satellite“ singend, suchte sie Bert, bis er aus dem Nichts auftauchte.


Grillend und bei einem Faß Kölsch den Abend mit Freunden verbringend, verschwendete ich in diesem Jahr keinen Gedanken an den ESC. Zumindest am Samstag Abend nicht. Die Tage zuvor war dies einiges schwieriger. Beim Radio-Hören konnte ich dem kaum entkommen, wobei ich eine scharfe Trennlinie zwischen WDR2 und SWR1 feststellen musste. Während Roman Lob in WDR2 ungefähr so wichtig war die Brutsaison der Schellenente auf Rügen, nahm in SWR1 die Vorfreude auf seinen Auftritt in Baku kein Ende. Ich hätte nie vermutet, dass Rheinland-Pfälzer ein solches Gemeinschaftsgefühl entwickeln konnten. Sonst hatte ich dies nur vom 1. FC Kaiserslautern in Erinnerung – nun war es Roman Lob. Neustadt an der Wied – in verschiedensten Facetten wurde seine Heimat beschrieben. Neustadt an der Wied – das war nicht einmal so weit von NRW entfernt, in einem Zeitfenster von etwa fünf Stunden hätte ich locker dorthin eine Rennradtour machen können. Roman Lob hätte mich sicherlich nicht interessiert, eher das Wiedbachtal – das wirklich sehenswert war – oder ein 10%iger Anstieg über den Westerwald nach Linz.

„I’m standing still“, der Refrain bewegte mich nicht wirklich, in SWR1 blockierte dieses Stück regelrecht die Sendezeiten. Ich musste dieses Stück über mich ergehen lassen und ich lernte, was ein Ohrwurm ist. Dieser schlappe Refrain zum Einschlafen, irgendwann summte ich ihn mit, und ich ertappte mich, dass ich ihn selbst beim Spülen oder Rasenmähen vor mir her summte. Solch ein Ohrwurmpotenzial ! Da musste doch eine gute Platzierung in Baku drin sein ?

Mit Freunden einige kühle Kölsch genießend, ersparte ich es mir, meine Gehörzellen beim ESC zu strapazieren. Auf all die herum hüpfenden und herum hampelenden Gestalten durfte ich verzichten. Ebenso auf herausgeputzte Schönheiten, auf barbiepuppenhafte Kleider und Frisuren, die eigentlich in eine Kunstausstellung hinein gehört hätten. Meine Augen bewahrten den Durchblick: sie wurden von keinerlei Lichteffekten geblendet, die sich wasserfallartig über die Bühne ergossen und mitunter von Nebelschwaden auseinander gerissen wurden.

Aus den Schlagzeilen der Bild-Zeitung erfuhr ich am nächsten Tag das Ergebnis: „I’m standing still“ hatte den achten Platz belegt. Ein achtbares Ergebnis. Den Song des Gewinners aus Schweden habe ich mir bis heute noch nicht angehört. Ihn hätte ich ohnehin schnell in die Schublade des Vergessens einsortiert.

Wochenrückblick #21

Sommerwetter (1)
In der letzten Woche sind die Temperaturen immer mehr angestiegen, so dass es sommerlich warm geworden ist – bis an die 30 Grad-Marke. Mitte der Woche war es in der Köln-Bonner Bucht – verursacht durch die petrochemische Industrie - bereits so drückend, dass es unangenehm war. Die Bewegungen fallen dann schwerer, ich schwitze sehr viel. Mit den sommerlichen Temperaturen schlägt der Alltag in einem anderen Rhythmus. Das Leben verlagert sich nach draußen, in den Parks, Straßencafés und Biergärten ist jede Menge los. Zu Hause verbringen wir auch einen großen Teil draußen, im Garten, auf unserer Terrasse oder im Wintergarten. Und selbst bei den drückenden Temperaturen bekommt das Lebensgefühl eine neue Dimension: aus dem Kühlschrank schmeckt ein Weizenbier optimal. Abends können es auch schon mal zwei oder drei werden. Prost !

Sommerwetter (2)
Im April oder Mai ist es schon quasi zur Tradition geworden, dass wir mit ein paar Freunden grillen. Dabei sind wir nicht der Spezies der Grillfetischisten zuzuordnen – unsere Nachbarn grillen ungefähr jedes Wochenende. Letzten Samstag hatten wir unser erstes Grillen in diesem Jahr geplant. Zusätzlich hatte meine Frau in der letzten Woche mit einigen Bekannten einen bunten Abend besucht, wovon sie zwei Ehepaare zusätzlich zum Grillen einlud. So fanden sich spontan insgesamt 17 Personen zum Grillen zusammen – davon vier Kinder, die mächtig Spaß miteinander hatten. Bei LIDL hatte ich noch einen neuen Grill für 25 € gekauft, denn unser alter Grill war Schrott. Der neue Grill erwies sich als leistungsfähig – die Grillkohle erzeugte jede Menge Glut, die mit der Ausdauer eines Langstreckenläufers glühte und Fleisch und Würstchen in einen optimalen Garzustand versetzte. Das Grillen war ein schönes gemeinsames Erlebnis. Ein Fass Kölsch hatte ich noch besorgt, welches bei den warmen Außentemperaturen mit seinem erfrischenden Geschmack dieses Erlebnis abrundete.

Behindertenwohnheim
Dass mein geistig behinderter Schwager Udo in seinem Behindertenwohnheim wohnt, darüber hatte ich in mehreren Blogs berichtet. Dies ist ursprünglich auf seine eigene Initiative zurückzuführen, denn er wollte dort unbedingt einziehen und von zu Hause weg. Dauernd haben wir damit zu kämpfen, dass niemand mit uns redet und dass wir Informationen hinter her rennen müssen. Udo erzählt nur spärlich und bruchstückhaft, was im Wohnheim geschieht. Zudem ist er kaum noch in der Lage, sich richtig zu artikulieren. Das Wohnheim redet auch nicht mit uns. So müssen wir mühsam rekonstruieren, was wirklich los ist.
(1)   Udo rief uns zuletzt an. Eine Betreuerin vom Wohnheim sei mit ihm bei der Hals-Nasen-Ohren-Ärztin gewesen. Er habe einen Knoten im Rachen. Er müsse Antibiotika nehmen. Der Knoten sei im Krankenhaus geröntgt worden. Er habe einen neuen Termin bei der Hals-Nasen-Ohren-Ärztin. Wir haben dazu unsere Tochter um Rat gefragt, die Medizin im zweiten Semester studiert. Beides sei kompletter Blödsinn, sowohl dass eine Knotenbildung durch Antibiotika eingedämmt werden kann wie dass man durch Röntgen in das Innere des Knotens hineinsehen kann. Udos Vater war daraufhin im Wohnheim. Seine zuständige Betreuerin war nicht anwesend. Es war allerdings ein Protokoll gefertigt worden, in dem immerhin dokumentiert wurde, dass die Lunge im Krankenhaus geröntgt worden war – die Knotenbildung hatte sich nicht auf die Atmung und die Lunge ausgewirkt. Über den restlichen medizinischen Befund konnte uns niemand aufklären. Knotenbildung – da sind durchaus schlimme Szenarien denkbar.
(2)   Nächsten Samstag ist im Behindertenwohnheim Sommerfest, und das Wohnheim hat entschieden, dass Udo beim Aufbauen mithilft. Dazu soll er in der nächsten Woche Urlaub nehmen. Udo hat aber zwei Urlaube eingeplant – den ersten mit Bewohnern des Behindertenwohnheims in die Türkei und den zweiten mit uns an den Bodensee – beide Urlaube dauern vierzehn Tage. Zehn Tage Urlaub hat er noch – davon sind die 14 Tage Türkei-Urlaub abgezogen. Das passt überhaupt nicht mehr, zumal in seiner Behindertenwerkstatt zwischen Weihnachten und Neujahr geschlossen ist und er dafür weiteren Urlaub benötigt. Notfalls muss er zu Hause bleiben, wenn weder er noch das Behindertenwohnheim in der Lage sind, mit uns zu reden …

Einkommensteuererklärung
Rund zwei Monate habe ich gebraucht, um unsere Steuererklärung fertig zu stellen. Wie man anhand des Zeitraums erkennen kann, ist dies durchaus eine zeitfressende Angelegenheit. Bis ich all die Belege zusammen habe – Werbungskosten, Versicherungen, Krankenkasse, Kindergartenbeiträge, Steueridentikationsnummern für die Kinder, Spendenbescheinigungen usw. – das dauert längere Zeit. Mit all den Formularen und den Anlagen ist dies ein ziemlicher Papierkrieg. Dieses dicke Paket von Formularen und Belegen habe ich in der letzten Woche beim Finanzamt abgegeben. Dies ist nun das dritte Jahr, in dem ich meine Steuererklärung persönlich beim Finanzamt abgebe. Damit habe ich durchweg positive Erfahrungen gemacht. In unserem Finanzamt gibt es so eine Art Bürgerbüro, in dem sich die Finanzbeamten um alle Angelegenheiten ihrer Steuerzahler kümmern. Die Finanzbeamten sind nett, kundenfreundlich, sie helfen, wo sie können. Rückfragen – die auch diesmal spärlich ausfielen – konnten im direkten Gespräch geklärt werden. In den letzten beiden Jahren hat es ca. 10-14 Tage gedauert, bis ich den Steuerbescheid erhalten habe. Ich hoffe, dass auch in diesem Jahr die Steuererstattung ähnlich üppig ausfallen wird wie in den letzten Jahren.

Song der Woche
Achtung ! Sensible Naturen bitte nicht in dieses Stück hineinhören. Laut und heftig und aggressiv geht es zur Sache. Ende der 70er Jahre spitzte sich mit AC/DC, Judas Priest, Accept oder Iron Maiden der Hard-Rock-Spound zu und wurde noch schreiender und aggessiver. Diese Gruppen hörte ich weniger, weil sie mir bereits zu aggressiv waren. Dieser Hard-Rock-Stil klang für mich eher wie undifferenziertes, maßloses Geschrei, der Gitarrenstil erinnerte mich eher an einen Presslufthammer auf einer Baustelle. Anstatt dessen bevorzugte ich Gruppen wie UFO oder die Scorpions, die etwas melodischer waren und ihren Stil auch variieren konnten zwischen laut und leise, schreiend und zurückhaltend, die Gitarren-Soli fügten sich bei diesen Gruppen stärker in die Melodie ein. Über Radio Caroline und Planet Rock war ich zuletzt doch auf Iron Maiden aufmerksam geworden. Es gibt durchaus Stücke, bei denen eine Melodie und führende Gitarrenklänge herauszuhören sind. „Hallowed be thy Name“ wird von einem Gitarren-Riff vorangetrieben, das an gute alte Led Zeppelin-Zeiten erinnert (aber nicht geklaut ist). Ruhig und schleppend beginnt das Stück, dann setzt die Lautstärke des Hard-Rock-Stils ein, in der Mitte des Stücks wird das Tempo herausgenommen, und diese geniale Gitarren-Riff hämmert dann bis zum Schluß ein Gitarren-Solo nach dem anderen rein. Klasse !




Freitag, 25. Mai 2012

Marguerite Yourcenar - Die schwarze Flamme

Brügge im 16. Jahrhundert. Die Hansestadt in Flandern ist der Ort des Geschehens, als ein Arzt nach 30 Jahren Reisetätigkeit an den Ort seiner Jugend zurückkehrt. Brügge – eine der romantischsten Städte, die ich kenne, hatte mich auf diesen Roman neugierig gemacht. Grachten, Kanäle, Häuser aus rostbraunem Backstein, Treppengiebel – dies alles sollte ich in dem Roman vermissen. Das war nicht schlimm, denn die Handlung wurde zum Monument.

Es war eine Neuheit für mich, einen historischen Roman zu lesen. Literatur über Geschichte hatte ich vor längerer Zeit verschlungen – Biografien oder Einzelthemen – Weltkriege, Aufklärung oder Römerzeit, aber noch keinen historischen Roman.

Es hat sich gelohnt. „Die schwarze Flamme“ ist ein gewaltiges Werk, in dem sowohl geschichtliche Ereignisse wie Persönlichkeiten der Renaissance zusammengefügt werden. Hierdurch entsteht ein sehr dichtes Bild der Renaissance – welche Weltanschauungen geherrscht haben, wie die Menschen gelebt haben, welche Bewegungen quer durch Europa gegangen sind.

Dabei klingt es unglaublich, dass Yourcenar rund 40 Jahre an diesem Roman geschrieben hat. Als sie Anfang 20 war, hatte sie einen Entwurf von 40 Seiten geschrieben, der sich in dem ersten Teil wiederfindet. 1935 erschien eine Erzählung zu demselben Thema, die sie später in ihren Roman integrierte. In den 50er Jahren fügte Yourcenar einzelne Kapitel des ersten Teils hinzu. Sie vollendete ihren Roman zwischen 1962 und 1965. „Die schwarze Flamme“ kann somit als eine Art Lebenswerk betrachtet werden, welches die Autorin über viele Lebensabschnitte hinweg begleitet hat.

Marguerite Yourcenar (1903-1987) stammt ursprünglich aus Brüssel. Mit Beginn des 2. Weltkrieges emigrierte sie in die USA, sie ließ sich dort dauerhaft nieder und nahm die amerikanische Staatsbürgerschaft an. Neben ihrer Tätigkeit am Lehrstuhl für französische Literatuwissenschaften in New York veröffentlichte sie mehrere Romane, Erzählungen und Gedichte, wovon die historischen Romane „Die Wölfin“ und „Die schwarze Flamme“ am bekanntesten waren. Sie erhielt verschiedene Literaturpreise und wurde 1981 als erste Frau in die „académie francaise“ aufgenommen.

Begegnungen ziehen sich als roter Faden durch den Roman. Zenon, die Hauptfigur, begegnet wesentliche Persönlichkeiten des 15. Jahrhunderts, die die maßgeblichen Einflüsse der Renaissance beschreiben. Zenon wird 1510 in Brügge als uneheliches Kind geboren. Sein Vater, ein Amtsträger der Kirche, wird einige Jahre später in Rom ermordet. Seine Mutter begeht den folgenschweren Fehler, sich nach Münster zu begeben, wo sich die Stadt der Reformationsbewegung nach dem Vorbild des Calvinismus in den Niederlanden geöffnet hat. Diese Form des Protestantismus geht der deutschen Reformationsbewegung zu weit. Daher dringen Truppen aus den umliegenden Fürstentümern in Münster ein und begehen ein Massaker an der Bevölkerung. Dabei wird Zenons Mutter hingerichtet. Aber bereits vorher – bei der calvinistischen Reformationsbewegung – werden religiöse Exzesse beschrieben, dass beispielsweise Menschen, die den Müßiggang pflegen und nichts tun, hingerichtet werden, weil dies nicht der religiösen Weltanschauung entspricht.

Zenons Vetter ist Sohn eines Bankiergeschlechtes. Handel, Kapital, Geldflüsse, Warenflüsse, Manufakturen blühen in der Renaissance auf. Die Bankiers verkehren zwischen den Fürsten in illustren Kreisen, wobei ihr geistiges Potenzial mittelmäßig ist und ausschließlich die Höhe des Geldkapitals entscheidend ist.

Zenon selbst sucht seinen eigenen Weg, unabhängig von seinen Eltern. Schon als Jugendlicher zeigt er eine enorme Strebsamkeit nach Wissen, welches ihm sein Onkel – der Dompropst in Brügge ist – vermittelt. Das ist vor allem die Philosophie: diese Wissenschaft verleiht im die Basis seines Wissens, und in der Renaissance koppeln sich eigenständige Disziplinen von der Philosophie ab, namentlich die Naturwissenschaften und die Medizin. Zenon verkörpert eine Dreiereinheit der Wissenschaften: Philosophie, Alchimie und Medizin.

Um seinen Wissensdurst zu stillen, geht Zenon auf Wanderschaft – quer durch Europa. Fiktiv konstruiert oder historisch belegt – so erzählt Yourcenar die Episoden während der Wanderschaft. Zenon stößt auf Bankiers, er erlebt einen Aufstand in einer Weber-Manufaktur, wo man sich gegen die miserablen Arbeitsbedingungen wehrt, er durchlebt die Pest. Die Pest hat ihn vielleicht am nachhaltigsten geprägt, denn er versteht seinen Beruf als Arzt – er will anderen Menschen helfen, unabhängig von deren Anschauung, Status, Beruf oder sonst was. Seine Reisen führen ihn bis in den Orient hinein und fast bis ans Nordkap. Von sexuellen Ausschweifungen, bei denen vor allem Geistliche ein schlechtes Bild abgeben, hält Zenon nicht allzu viel – mit Ausnahme von Schweden, wo er seine wahre Liebe kennen lernte, aber wegen der Wanderschaft wieder verlassen musste.

Als Philosoph, Alchimist und Arzt verfasst er Schriften, in die die treibenden Kräfte der Renaissance einfliessen: ein Weltbild, das die Naturwissenschaften neu begründet, Alchimie, um neue Materie aus bereits vorhandener Materie zu schaffen, ein Katholizismus, dessen Gott-zentriertes Weltbild revidiert werden muss. Das soll ihm später zum Verhängnis werden.

Nach 30jähriger Wanderschaft müde geworden, beschließt er, in Brügge sesshaft zu werden. Dort ist er als Arzt in einem Hospiz tätig. Bis ihn ein Vorfall den Boden unter den Füßen wegreisst: einem Protestanten, der ansonsten verblutet wäre, rettet er in Brügge in den katholischen Niederlanden durch seine ärztliche Hilfe das Leben. Zenon steht zu seinem Verhalten, und aus seiner Umgebung erhält er Ratschläge, Brügge besser zu verlassen. Er ignoriert diese Ratschläge, und gemeinsam mit seinen veröffentlichen Schriften, die weithin bekannt sind, wird ihm der Prozess gemacht.

Flandern gehört im 16. Jahrhundert zu Spanien, das rege von der Inquisition Gebrauch macht. In diesem Umfeld bergen die Schriften Zenons, eine Unendlichkeit des Weltraums zu postulieren oder von einem geozentrischen Weltbild auszugehen, ein inquisitorisches Potenzial. In dem Prozess muss Zenon den kirchlichen Grundsätzen Rede und Antwort stehen. Zenon wird zum Tode verurteilt, wobei er seiner Hinrichtung durch seinen Selbstmord zuvor kommt. Yourcenar hat sich bei dem Prozess an Giordano Bruno angelehnt, der im Jahr 1600 wegen seines gegenläufigen Weltbildes von der Kirche in Rom hingerichtet worden ist.

Als ich den Roman zu Ende gelesen hatte, war ich geradezu hingerissen. Yourcenar ist es gelungen, die sehr vielschichtigen Einflüsse in der Renaissance zu einem Ganzen zusammenzufügen. Ihre Sprache ist verständlich, die einzelnen Episoden schildert sie kurzweilig, sie sind mitten aus dem Alltagsleben in der Renaissance heraus gegriffen, der Leser muss kaum geschichtliche Vorkenntnisse mitbringen, die Autorin bewegt sich auf Augenhöhe mit dem Leser. Bei der Komplexität des Themas ist dies ein sehr großer Wurf. Zusammenfassend, war ich entsetzt darüber, wieviel Unheil die Religion den Menschen in Europa gebracht hatte.

„Die schwarze Flamme“ war 1968 veröffentlicht worden und avancierte danach in Frankreich zum Bestseller. „L’oeuvre au noir“ – so hieß der französische Originaltitel -, war sogar 1988 unter der Regie von André Delvaux verfilmt worden – ich habe allerdings nicht rechercheiren könne, ob der Film ins Deutsche übersetzt worden ist.

Bislang gibt es bei mir einen Roman, den muss ich alle paar Jahre lesen – das ist „Die Pest“ von Albert Camus. Nun kommt wahrscheinlich Yourcenar mit „Die schwarze Flamme“ dazu.

Mittwoch, 23. Mai 2012

mit dem Rennrad über Brühl und Zülpich nach Düren

Unser Treffpunkt war – bei näherer Betrachtung – schlecht ausgesucht. Am Schloss Augustusburg in Brühl angekommen, stellte ich fest, dass die Anlage riesig war – nicht umsonst zählte sie zum Weltkulturerbe der UNESCO. An der einen Seite war der Haupteingang, wo sich Grüppchen zusammenfanden, um an einer Führung teilzunehmen. Leer und auf wochenendlichen Besucherandrang vorbereitet, dösten die Parkplätze an der Front des Schlosses vor sich hin. An der Rückseite des Schlosses ging es feierlich zu – das Schloss war Kulisse für eine Hochzeit und Braut und Bräutigam ließen sich vor einem Torbogen fotografieren. Im Schlossgarten hinter dem Schloss konnte man sich verlaufen – wenn ich alle Ecken dieser Gartenbaukunst hätte erkunden wollen. Dies war also unser Treffpunkt. Haupteingang ? Auf den Parkplätzen ? An der Rückseite ? Im Schlossgarten ?

Es war eine Première in diesem Jahr. Nicht alleine mit dem Rennrad unterwegs, sondern zu zweit. Mein Fahrradkumpel arbeitete in Köln, und von der Arbeit aus kommend, hatten wir uns in der Mitte in Brühl verabredet. Da er sich kein bisschen in Brühl auskannte, hatte ich einen möglichst idiotensicheren Treffpunkt benannt, der weitläufig ausgeschildert war: Schloss Augustusburg.

Eine zeitlang musste ich warten, dann kam er über die Parkplätze heran geradelt. Zuerst erblickte ich sein flammneues STEVENS-Rennrad, dessen weißer Rahmen noch unbefleckt und ohne nennenswerte Gebrauchsspuren war. Ihn erkannte ich sofort wieder, trotz Helm und getönter Fahrradbrille. Nachdem wir uns begrüßt hatten, steckten wir unsere Strecke ab: Richtung B265, Erftstadt, Zülpich, Nideggen, Rurtal, am Bahnhof in Düren sollten sich unsere Wege trennen – er in Richtung Aachen und ich in Richtung Köln.

Gleich an den ersten Hügeln, die sich am Stadtrand von Brühl formierten, sollte ich zu spüren bekommen, dass mein Fahrradkumpel die Lunge eines Marathonläufers hatte. Bis vor zwei Jahren war er regelmäßig Marathon gelaufen, dann hatten sich seine Knie beschwert und er war aufs Rennradfahren umgestiegen. Ungebremst, ohne nennenswert zu verlangsamen, schob sich sein STEVENS-Rennrad den Berg hoch. Ich war nicht so geübt, und ich musste mich ein Stück abquälen, um ihn wieder einzuholen, bis wir gemeinsam weiterfuhren.

Die B265, die schnurgerade auf Erftstadt zustrebte, sollte voller Überraschungen stecken. Zuerst bemerkte ich nur zaghaft, wie mein Hinterrad den Boden berührte. Doch mit jeder Unebenheit – wovon der buckelige Radweg unter hervorquellenden Wurzeln reichlich zu bieten hatte – folgten Stöße auf die Felge, die intensiver wurden: mein Hinterrad war platt. Wir beide hatten keine Reserveschlauch mitgenommen – ich aus Geiz, weil ich nicht ausreichend Geld mithatte, wenn ich am Fahrradladen vorbeikam, und er aus Vergesslichkeit, denn er hatte seinen Reserveschlauch zu Hause liegen gelassen. Aufpumpen, weiterradeln, eine kurze Hoffnung, dass das Ventil nicht richtig zugedreht war, doch in Erftstadt-Lechenich war mein Hinterrad in Windeseile wieder platt. Bike-Reiter, größter Fahrradmarkt im Rhein-Erft-Kreis, den Weg dorthin hatten uns Ortsansässige erklärt.

Dort sollten wir einzigartiges erleben – ein negativer Höhepunkt in Sachen Kundenfreundlichkeit. Nachdem ich den ersehnten Fahrradschlauch gekauft hatte, machte ich mich sofort ans Werk. Fahrrad umdrehen, Radschrauben lösen, Hinterrad abnehmen, kaum eine Minute dauerte es, dass ein Mitarbeiter von Bike-Reiter mein Treiben begutachtete und mich bat, das Gelände zu verlassen. Anschließend verschwand der Miterbeiter wieder. Ich glaubte, mich verhört zu haben, legte mein Werkzeug zurecht und werkelte weiter an meinem Hinterrad herum. Einige Minuten später, kreuzte dasselbe Gesicht wieder auf und wies mich mit ernster Miene darauf hin, dass mein Rennrad entweder in der hauseigenen Werkstatt repariert werden sollte oder außerhalb des Firmengeländes. Murrend schleppte ich meine ganze Ausrüstung zu einer gegenüberliegenden Reifenwerkstatt, wo ich unbehelligt meine Reparatur beenden konnte. 

Ich habe daher eine Bitte an alle Blog-Leser: bitte Bike-Reiter in Erftstadt-Lechenich weiträumig meiden und alles, was mit Fahrrädern zu tun hat, irgendwo anders einkaufen !!!

Durch den platten Hinterreifen war wertvolle Zeit verstrichen, und endlich konnten wir unsere Radtour auf der B265 in Richtung Zülpich fortsetzen. Flach, wie auf einem Brett glitten die Felder daher. Das Getreide in der Zülpicher Börde entwickelte sich prächtig. Das gelbe Farbenmeer des Rapses war hier noch präsent: nicht verblüht, wie bei uns, schillerte das Gelb intensiv, es beugte sich im Wind, die Blüten funkelten wie tausend kleine Kristalle. Die Hänge in der Ferne kündeten die Eifel an. Mit einem Tempo – so ambitioniert wie bei „Rund um Köln“ – bretterten wir auf Zülpich zu.

Wir beschlossen, in Zülpich eine Pause einzulegen. Wir passierten ein Stadttor, das Stadtzentrum verlief sich in Einbahnstraßen und Abbiegungen und Verzweigungen, in denen wir mangels Beschilderung die Orientierung verloren. Meine Eindrücke von Zülpich, die in mir haften geblieben waren, bestätigten sich – eine inhomogene Fußgängerzone, Ladenlokale allenthalben, gemütliche Ecken waren Mangelware. Die historische Seite von Zülpich sollten wir erst beim Verlassen entdecken: einmal komplett um das Zentrum herum gekurvt, schloss die Stadtmauer in einer beeindruckenden Gänze das Zentrum ab. Dicht neben der Straße, erinnerte ein meterlanges Stück Abwasserkanal an die Römerstadt Zülpich, die einst "tolbiacum" geheißen hatte.

Zuvor hatten wir auf dem viereckigen Marktplatz, der dem Rathaus aus den roten Ziegelsteinen, dem Rathausturm und dem Arkadengang zugewandt war, unsere wohlverdiente Pause gemacht. Als wir auf die Uhr schauten, stellten wir fest, dass wir auf direktem Wege – ohne Nideggen und das Rurtal – nach Düren fahren mussten, um unseren Zug zu erreichen. Auch auf dem Markplatz waren wir der Geschichte Zülpichs begegnet – die Figur auf dem Marktbrunnen symbolisierte den fränkischen König Chlodwig, der im Jahr 496 die Schlacht von Zülpich gewann und mit seiner Taufe dem Rheinland das Christentum brachte.

Füssenich, Geich, Vettweiß, Jakobwüllesheim, fernab der Hauptstraßen führte uns ein ausgeschildertes Radwegnetz nach Düren. So wenig Autoverkehr, so viel Natur, der Blick über die Felder eröffnete immer neue Horizonte. In den Dörfern kamen wir uns teilweise vor wie am Ende der Welt, kaum Autos auf den Straßen, Gemäuer aus Schiefer in zarten Grautönen, ein Tante-Emma-Läden im Ortskern, in der einzigen Kneipe gegenüber der Kirche war kein Mensch.

Eine halbe Stunde Zeit verblieb uns am Bahnhof Düren, um miteinander zu plaudern und die 80 km lange Strecke Revue passieren zu lassen. Ein Jahr lang hatten wir uns nicht gesehen. Familienleben, Kinder, Job, Urlaub, Freizeit, Rennradfahren, Tourenplanung und vieles mehr. Das war schön zu zweit. Wollen wir wiederholen.

Montag, 21. Mai 2012

Wochenrückblick #20

Hinterrad lose
In der Woche erhielten wir abends von Freunden einen Anruf, ob wir sie mit dem Auto abholen könnten, weil sie liegen geblieben waren. Sie wollte ihren Mann am Flughafen abholen, und als sie mit Tempo 150 auf der Überholspur war, spürte sie eine merkwürdige Unruhe am rechten hinteren Fahrzeugteil. Sie verlangsamte das Tempo, die Unruhe und das Vibrieren verschlimmerte sich, auf dem Parkplatz des Flughafens stellte sie fest, dass das Hinterrad ihres FIAT Doblo lose war. Im Auto hatte sie keinen Schraubschlüssel mitgenommen, so dass sie sich dieses Werkzeug von einem anderen freundlichen FIAT-Fahrer leihen musste. Von dort aus fuhren sie zur nächsten Werkstatt (die wegen der späten Uhrzeit bereits geschlossen war). Dort holte ich sie ab. Das Malheur war in der Reifenwerkstatt passiert, in der zuvor neue Reifen auf den Hinterrädern montiert worden waren. Dies war insofern seltsam, weil üblicherweise Reifen mit Schlagschraubern montiert werden, so dass die Felgen „bombenfest“ auf der Radachse sitzen. Offensichtlich waren die Felgen schlampig und von Hand montiert worden – was bei 150 km/h auf der Überholspur auf der Autobahn hätte lebensgefährlich werden können.

Bengalisches Feuerwerk im Festzelt
In einem Nachbarort fand ein Maifest mit Tanz in einem Festzelt statt. Gegen 1 Uhr nachts zündeten einige Jugendliche drei Bengalische Feuer und eine Rauchbombe in dem Festzelt, in dem etwa 500 Menschen feucht-fröhlich feierten. Bengalische Feuer sind zuletzt durch das Skandal-Fußballspiel zwischen Fortuna Düsseldorf und Hertha BSC Berlin bekannt geworden, als diese Flammen-erzeugenden Feuerwerkskörper mit intensiver Rauchentwicklung auf das Spielfeld geworfen worden waren. Bestehend aus Schwefel, Salpeter oder Magnesium, ist der Rauch höchst schädigend. Irgendwie schafften die Feiernden es, einigermaßen geordnet Festzelt zu verlassen. Insgesamt 27 Besucher wurden wegen Rauchvergiftung ins Krankenhaus eingeliefert. Einer der Jugendlichen hat die Tat mittlerweile gestanden.

Im Garten
Das Frostpotenzial der Kalten Sophie war zu Beginn der Woche bei uns im Rheinland eher gering. Auf dem Dach unseres Nachbarn waren ein paar Dachziegel weiß gefroren – das war es. Momentan ist das Wetter für das Wachstum in unserem Garten optimal – es ist warm und gestern hat es abends auch einen kräftigen Gewitterschauer gegeben. Salat und Gemüse gedeihen bei diesen Bedingungen in unserem Garten prächtig.


… Kopfsalat und Kohlrabi können wir bereits essen …

 
… der Blumenkohl wächst prächtig …

 
… die Tomaten sind gepflanzt …

 
… Weißkohl und weiterer Kopfsalat …


… die Erbsen an den Rankgittern sind noch klein …

Felder

Nicht weit entfernt vom städtischen Ballungsraum, haben bei uns die Felder nicht den ursprünglichen Charakter wie im ländlichen Raum. Große Aussiedlerhöfe dominieren, es werden große Flächen bewirtschaftet, das Landschaftsbild ist kaum aufgelockert durch einzelstehende Bäume oder Waldstücke. Die Felder an für sich ähneln durchaus denjenigen im ländlichen Raum …

… Gerste …



    … der Mais beginnt zu sprießen …


 … der Raps ist schon fast verblüht …

… als ich mit dem Fahrrad unterwegs war, war es sehr windig und ich musste kräftig treten …


… Sonnenuntergang …


… Reihen von hohen Sträuchern …



… allenthalben werden bei uns die Felder von Hochspannungsmasten zerschnitten 

Freitag, 18. Mai 2012

Logopädie

Aus einem nüchternen Kasten zog sie eine weiße Karteikarte heraus, dessen Mitte eine geschwungene Handschrift ausfüllte. Dann nahm sie aus einem Stapel einen leeren Zettel, zückte einen Bleistift und machte sich Notizen, nachdem unser Gespräch begonnen war. Später erzählte sie stolz, diese Zettel hätte eines ihrer Enkelkinder bemalt. Und später zeigte sie uns die bemalte Rückseite, auf der die langen Striche das Kunstwerk des kleinen Künstlers noch nicht erkennen ließen.

„Können Sie sich vorstellen, wieso Sie hier sind ?“
„Keine Ahnung ?“
„Ihre Tochter ist nun seit drei Monaten in der Logopädie … „
War dies ein Rätselspiel ? Meine Frau und ich, wir hatten uns beide innerlich gesträubt. Abgeleitet aus dem griechischen „logos“ für „Wort“ sah ich bei unserem kleinen Mädchen eher geringe Defizite beim Umgang mit Wörtern, beim Sprechen oder auch beim Lesen. Doch die Logopädin hatte darauf bestanden, mit uns beiden ein persönliches Gespräch zu führen.

Bereits zur Kindergartenzeit hatte unser kleines Mädchen kaum mit anderen Kindern gespielt und war deshalb zur Ergotherapie geschickt worden. Die Praxis in unserem Ort, die die Ergotherapie durchführte, war geschlossen worden. Mit den Lernanforderungen in der Grundschule konfrontiert, hatte uns unser Kinderarzt danach eine Praxis für Logopädie am Stadtrand von Köln empfohlen.

Vielleicht hatte ich tiefe Skepsis durchdringen lassen. Ich hatte meine Beine verschränkt und hinterließ, ein wenig zappelnd, womöglich einen gelangweilten Eindruck. Jedenfalls gab sich die Logopädin sichtlich Mühe, den Eindruck entstehen zu lassen, sie wolle uns helfen. Unser Kind sei verhaltensauffällig. In der Schule mache sie einen desinteressierten Eindruck. Ruhig, still wäre sie im Unterricht, kaum etwas würde sie sagen. Um etwas fortzuführen und zu beenden, müsse die Lehrerin sie ständig kontrollieren. Wenn sie gefragt würde, wirke sie altklug, dass sie sowieso alles wisse. Ihre Aussprache sei undeutlich. Und: ihre intellektuellen Fähigkeiten, welches Potenzial sie zum Lernen hätte, seien durchaus ausgeprägt. Das konnten wir bestätigen: zum einen, dass sie nicht unbedingt mit enthusiastischer Begeisterung in die Schule ging, zum anderen, dass der Lernforschritt in der Grundschule durchaus vorhanden war.

Ihre menschliche Erfahrung ließ sie durchblicken. Sie habe auch Kinder – drei Enkelkinder sogar, deren Fotos in einem satten, braunen Rahmen auf der Fensterbank standen. In ihre glatte Frisur war der übermächtige Schimmer ergrauten Haares eingedrungen. Deutlich, klar, ihre Worte sorgsam abwägend, sprach sie zu uns.

Sensorik, Grobmotorik und Feinmotorik, Riechen, Schmecken, alle Sinnesorgane entwickeln, dazu Verantwortungsgefühl für die Gemeinschaft entwickeln, das alles gelte es aufzubauen. Und auf ihrem Zettel malte sie uns ein Modell auf: ein menschlicher Körper, Linien, die die Nervenbahnen verdeutlichen sollten, Gefühlsströme dazwischen. Anregungen, Impulse brauche sie im Alltag, mit denen all ihre Sinne „gefüttert“ werden sollten.

„Haben Sie die Übungen mit ihr gemacht ?“
„Die Mundübung ?“
„Die Beinübung ?“
Einmal war ich gemeinsam mit unserem kleinen Mädchen zur Logopädie gewesen, doch meine Erinnerung an einzelne Übungen hatte ich nur grob abgespeichert. Es ging um die Koordination von Bewegung und Sprechen – Hüpfen auf einem großen Ball und gleichzeitig zählen oder Springen auf einem Trampolin und gleichzeitig Tiere aus dem Zoo benennen. Dass diese Übungen Sinn machen, konnte ich der Logopädie nicht absprechen. Ich hatte definitiv keine Übungen mit ihr zu Hause gemacht – meine Frau genauso wenig.

Einmal täglich sollten wir die Übungen mit ihr machen – Mundübung und Beinübung. Sie solle Verantwortung übernehmen – beispielsweise den Müll in die Mülltonne bringen, Spülmaschine einräumen oder Tisch decken. Einzelne Übungen sollten sich über längere Zeit erstrecken – so sollte Ausdauer geübt werden.

War unser kleines Mädchen das richtige Objekt ? Für eine Logopädie ? Wenn ärztlicher oder therapeutischer Rat kommt, will man als Eltern nicht als Verhinderer dastehen. Man will ja auch das beste für sein Kind. Unser Nicken, die Übungen durchzuführen, quittierte die Logopädin mit einem langsameren, aber um so ausgiebigeren Nicken. Ich würde unser kleines Mädchen bei diesen Übungen auch befragen, was sie davon halte, entgegnete ich. Ob die Übungen ihr gefielen, ob sie ihr gleichgültig waren oder ob sie sie sogar ablehnte.

Geschlagene 90 Minuten verbrachten wir bei der Logopädin. Gegen halb 9 abends sollten wir erst zu Hause sein. Der Begriff „Zeitfresser“ ging mir durch den Kopf. Außerdem ging einmal pro Woche die Zeit für 45 Minuten Logopädie drauf, mit An- und Abfahrt kamen anderthalb Stunden zusammen.

Als wir im Auto saßen, war meine Skepsis wieder da. Grobmotorik, Feinmotorik, Einsatz aller Sinne, da war wir als Eltern nicht untätig. Wir hatten durchaus unsere eigenen Konzepte. Klavierunterricht, Schwimmunterricht, Tanzen, Inline-Skater üben, das hatten wir zwar erwähnt und war auch von der Logopädin wohlwollend registriert worden, aber kamen wir uns da nicht in die Quere ? Zeit steht leider nicht unendlich zur Verfügung, und wegen der Logopädie muss irgendetwas wegfallen, was möglicherweise nicht weniger wichtig ist. Dabei haben wir unserem kleinen Mädchen einiges zu bieten, was nicht alle Kinder haben: ein intaktes Familienleben mit zwei Geschwistern, die sich prächtig mit ihr verstehen.

Meine Skepsis hielt an. Schließlich befand sich die Logopädie auf einem Spielfeld, wo der Erfolg nicht richtig messbar war. Bis ans Ende der Zeit konnte also die Aussage nicht widerlegt werden, dass durch die Logopädie die Verhaltensauffälligkeit unseres kleinen Mädchens verbessert werden konnte. Egal, welche Übungen gemacht wurden. Und egal, wie viel, wie häufig, wie intensiv diese Übungen gemacht wurden. Im Auto verspürte ich eine tiefe Sehnsucht, dass wir gemeinsam mit unserem kleinen Mädchen aus dieser Nummer wieder heraus kämen.

Mittwoch, 16. Mai 2012

FC Bayern München vs FC Chelsea London


Normalerweise wäre ich vorbei getrottet. Etwas Restschlaf mit mir herum schleppend, schritt ich staksig durch die Seitenstraße. Zur morgendlichen Uhrzeit versteckten sich Taschenbücher in den Schaufensterauslagen. Im nächsten Ladenlokal warten Schuhe unschlüssig auf die Ladenöffnung. Ein Ladenlokal weiter, sortierten sich Kleinteile von Computerzubehör sorgfältig in ihren Regalreihen.

Ich erkannte ihn erst beim zweiten Mal. Das Plakat, auf dem sein Gesicht mit seinem typischen Afrolook zu sehen war, neigte sich dem Boden zu. In einem Kleinformat, das beinahe in jeden Winkel hineingepasst hätte, war das Plakat hastig auf die Häuserwand geklatscht. Neben einem Regenfallrohr, dessen Farbe abgeblättert war, hatte es die Nähe zu Verfall und Vergangenheit gesucht.

„Übertragung des Champions League Finales FC Bayern München gegen FC Chelsea London“ kündigte die kleingehaltene Schrift das große Ereignis an, darüber das Gesicht von Paul Breitner mit sachlich-nüchterner Miene. Mit seiner buschigen Haarmähne erinnerte er an die 68er-Generation, sein kantiger Backenbart passte sich an seine Mundform an, eine wilde und glanzvolle Zeit beschwor er wieder herauf.

Paul Breitner, da stiegen ein Reihe von Erinnerungen hoch. Mit seiner Art, seine Meinung zu sagen, anzuecken, sich unbeliebt zu machen, war er nachdrücklich in meinem Gedächtnis haften geblieben. Damals galt er als Rebell, weil er sich nicht in das gängige Muster der Top-Fußball-Profis einordnen ließ: zugehörig zur deutschen Nationalmannschaft, die 1974 den WM-Titel holte, kehrte er danach dem FC Bayern München den Rücken, „weil man in diesem Scheiß-Verein nicht richtig feiern konnte“.

„Ich kann eins nicht: mein Maul halten und Diplomat sein.“ sagte er einst. Breitner schwamm nie mit dem Strom, er redete Klartext, er sagte, was ihm nicht passte. Die Mao-Bibel war sein Grundwerk, aus dem er seine Schlüsse zog.

Mit Paul Breitner und dem FC Bayern München kamen weitere Erinnerungen hoch. 1974 hatten wir zu Hause nicht nur während der Fußball-Weltmeisterschaft gefiebert, sondern auch während des Europapokal-Finales, das zwischen dem FC Bayern München und Atletico Madrid stattfand. Das erste Spiel endete 1:1, wobei Georg Schwarzenbeck erst in der vorletzten Minute der Verlängerung den Ausgleich schoß. Damals wurde das Spiel nicht durch Elfmeterschießen entschieden, sondern durch ein Wiederholungsspiel. In diesem Wiederholungsspiel überrollten die Münchener regelrecht die Madrilenen und gewannen mit 4:0. Die Mannschaft des FC Bayern München war gespickt mit Fußballern, die zu Legende wurden – Franz Beckenbauer, Sepp Maier, Gerd Müller, Uli Hoeness, Georg Schwarzenbeck und – Paul Breitner.

So viel Jubel und Freude, Leiden und Trauer, so viele überschwängliche Emotionen durch den Fußball erzeugt werden, so sehr wird bei uns in der Familie der Fußball auf Sparflamme gekocht, weil ich als einziger Fußball-Narr alleine dastehe.

Und das finde ich auch gut so. Der FC Bayern München ist bei uns Rheinland sowieso verpönt. Als Geldmaschinerie, die sich die besten Fußballspieler in der Republik zusammenkauft. Fans des FC Bayern München erscheinen bei uns im Rheinland so selten wie Schneeflocken im Hochsommer.

„Panis et circensis“ – Brot und Spiele – sehe ich als Leitmotiv hinter dem Fußball: der Masse ein Spektakel zu bieten, das für Ablenkung sorgt, wobei die brennenden, wichtigen Themen beiseite geschoben werden. Fußball – das ist der Rausch für einen Moment. Wie bei einem Kater nach übermäßigem Alkoholgenuss, wird man danach wieder in die Wirklichkeit zurück geschmissen.

Auf dem Plakat umgaben magische Jahreszahlen das Gesicht von Paul Breitner. 1974, 1975, 1976 und 2001, in diesen großen Jahren hatte der FC Bayern München die Champions League oder den Europapokal gewonnen. Kein Zweifel, der FC Bayern München ist ein großer Verein auf der europäischen Bühne, der es in diesem Jahr sehr weit geschafft hat. Heiß, zu Hause am Fernseher, auf Großbildschirmen in Kneipen oder Diskotheken, wird überall dem Spiel der Spiele – FC Bayern München gegen FC Chelsea London - entgegen gefiebert.

Drücken wir Samstag Abend ab 20 Uhr dem FC Bayern München die Daumen !

Montag, 14. Mai 2012

Wochenrückblick #19

Salafisten versus Pro NRW
Vorletzten Samstag kam es in Bonn bei einer Demonstration von Salafisten zu massiven Ausschreitungen, als die Splitter-Partei Pro NRW die Salafisten mit Mohammed-Karikaturen provozierte. Es kam zu Schlägereien, die eskalierten und durch ein massives Polizeiaufgebot beendet werden mussten. Dabei wurden zwei Polizisten durch Messerstiche von Salafisten lebensgefährlich verletzt, wobei die Salafisten ihr Vorgehen gegen die Polizei damit rechtfertigten, dass die Polizei das Zeigen der Mohammed-Karikaturen geduldet hätte. Im Islam ist das Zeigen von Mohammed-Karikaturen verboten, in Deutschland ist dies – untermauert durch höchst richterliche Entscheidungen – erlaubt. Im Verlauf der Schlägereien wurden Blumenkübel aus Vorgärten heraus gerissen, um diese als Wurfgeschosse zu benutzen. Anwohner berichteten, sie hätten sich in ihre Häuser verkriechen müssen und sie hätten sich selbst dort nicht sicher gefühlt. Sie seien sich wie im Krieg vorgekommen. Die Drachenburgstraße, auf der die Schlägereien eskaliert waren, kenne ich sogar einigermaßen, weil dies eine meiner Fahrradrouten ist, wenn ich vom Rhein aus in Richtung Drachenfelser Ländchen fahre. Aus Sicht der Anwohner stelle ich mir dies tatsächlich schrecklich vor, damit vor der eigenen Haustüre konfrontiert zu werden. In erster Linie sehe ich hier den Staat in der Pflicht, gegen solche Gruppierungen vorzugehen und solche Gewaltexzesse mit den Mittel des Rechtsstaates in den Griff zu bekommen.

Radtour durch ein Stückchen Eifel
Hinter Meckenheim bin ich die Höhenzüge der Eifel hoch geradelt. Etwa 6-7 km ging es über diesen Höhenzug, von wo aus ich einen prächtigen Ausblick auf die beginnende Mittelgebirgslandschaft der Eifel hatte. Ich schaute in das Ahrtal und das Seitental des Sahrbaches, wobei sich Berge und Täler gleichmäßig abwechselten. Der Höhenzug war etwa 6-7 Kilometer lang und stieg ungefähr auf 400 Meter Höhe an. Danach ging es nach Rheinbach zurück in die Ebene, wo ich mir im hiesigen Brauhaus ein Weizenbier gegönnt habe. Es ist schade, dass diese Ecke der Eifel relativ weit entfernt vom Büro liegt. Ich muss erst etwa 25 Kilometer zurücklegen, bis ich die ersten Höhenzüge der Eifel erreiche. Je nachdem, welches Zeitkontingent zur Verfügung steht, kann ich nur ein Stückchen Eifel genießen. Gegenüber anderen Mittelgebirgslandschaften – Siebengebirge, Westerwald oder Bergisches Land – ziehe ich die Eifel vor, weil ihr Höhenprofil noch abwechslungsreicher und noch vielfältiger ist. Diese Verlassenheit der Dörfer, deren Häuser oft aus Schiefer, Bruchstein, Basalt oder anderem Vulkangestein gebaut worden sind, zieht mich magisch an. Wenn sich meine Kondition gesteigert hat, ist es eine meiner größten Erfolgserlebnisse, mit meinem Rennrad tiefer in die Eifel einzudringen.

Dialog mit meiner Frau
Zwischen uns gibt es schon einmal verquere Dialoge, bei denen wir aneinander vorbeireden. Dazu, dass wir mit Freunden grillen wollten, hatten wir folgenden Dialog:
Ich: wollen wir am 19. oder 26. Mai grillen ?
Sie: hinterm Fernseher …
Ich: verstehe ich nicht … wollen wir am 19. oder 26. Mai grillen ?
Sie: hinterm Fernseher
Ich: noch einmal: 19. oder 26. Mai ???
Sie: hinterm Fernseher … siehst du das nicht ????
Ich: war sprachlos, und sah nichts hinterm Fernseher
Sie: siehst du das nicht ? die Spinnweben ?
Ich: sah die Spinnweben, nach mehrmaligem Hinsehen
Ich: die Spinnweben werden entfernt, Hauptsache, wir müssen nicht hinterm Fernseher grillen …

Antonow
Als ich unseren Sohn zuletzt morgens zum Flughafen gebracht hatte, war hinter dem Terminal 2 eine Antonow zu sehen. Ihre Größe war bemerkenswert, denn sie war locker 2-3 mal so groß wie die normalen Passagierflugzeuge. Gar nicht so weit weg, war sie auf dem Vorfeld vom Zubringer der Autobahn gut zu sehen. Einige Autos hielten sogar an, und es wurden Fotos geschossen. Das Transportflugzeug, in dessen Rumpf wahrscheinlich sogar LKW’s untergebracht werden konnten, war imposant.





Muttertag
Unser kleines Mädchen malt lieber selbst etwas, anstatt dass ich Blumen mit ihr kaufe. Hier ist das, was sie selbst gemalt / geschrieben hat:















Song der Woche
In dieser Woche hatte sich eine Melodie von Golden Earring in meinem Kopf festgesetzt. Ende der 60er Jahre war die niederländische Rock-Szene, zu denen auch Jan Akkerman, Shocking Blue oder Herman Brood gehörten, der deutschen Rock-Szene um Lichtjahre voraus. Bekannt wurden Golden Earring Ende der 60er Jahre mit „Holy, Holy Life“ oder „Buddy Joe“. „She flies on Strange Wings“ entstand 1971 und das Stück habe ich erst in den letzten Jahren auf Radio Caroline kennen gelernt. Den genialen Stil von Golden Earring aus dem Album Moontan (1973) lebt bereits auf „She flies on Strange Wings“ auf, nämlich dieser Rhythmus, der eingängig auf einen Punkt zugetrieben wird. An diesem Punkt wird der Rhtyhmus schlagartig ausgeblendet und setzt danach langsam wieder ein, um später wieder in dem alten Intensität aufzuleben. Genial !