6.44 Uhr. Genau um diese Uhrzeit hält heute der Frühling
seinen kalendarischen Einzug. Draußen ist es hell geworden, und es zwitschern
die ersten Vögel. Fast zeitgleich schwinge ich mich aufs Fahrrad und radele
los. Müde und etwas verschlafen trotten mir einige Schüler entgegen. An der
Verkehrskreuzung bergabwärts knubbelt sich der Verkehr. In lockerer Abfolge
schliddern Einfamilienhäuser an mir vorbei, Autos messen ihre Stecke ab auf dem
Weg zu ihrem Arbeitsplatz. Hinter dem Ortsausgang dann der Sonnenaufgang: mit
aller Wucht stemmt sich die funkelnde, rote Scheibe der Sonne über die Felder. Wolkenlos,
tunkt die Sonne den Himmel in ein tiefes Rot, und zwischen den Grasbüscheln krallen
sich die Spuren des Nachtfrostes.
Frühlingsanfang. Tag und Nacht sind exakt um 6.44 Uhr in
einem Gleichgewicht. Äquinoktium auf Lateinisch.
Equinoxe auf Französisch. Equinoxe – das erinnert mich an die großen Zeiten von
Jean Michel Jarre.
Mitte der 70er Jahre
hatte sich ein neuer Musikstil entwickelt, nämlich rein elektronische Musik
ohne Gitarrenspiel oder Schlagzeug. Die Gruppe Kraftwerk aus Düsseldorf, das
war die eine Stilrichtung: sie verkörperten technische Kälte – beherrscht von
Maschinen. Jean Michel Jarre aus Lyon marschierte in eine andere Stilrichtung, die
lockerer war, verspielter, eleganter, nicht so streng in ihren Formen. Ein Improvisieren
in den Tag hinein, sich überraschen lassen von neuen Klangwelten.
Equinoxe, in der
Jahresabfolge sind damit zwei Tage beschrieben, nämlich neben dem Frühlings-
auch der Herbstanfang. Ich schaue daher nach vorne: Frühlingsanfang, der
längste Tag des Jahres im Juni, Herbstanfang, der kürzeste Tag des Jahres im
Dezember. Mit dem nächsten Frühlingsanfang schließt sich der Kreis. So wie im
Leben. Ein ständiges Ende und ein ständiger Neubeginn. Werden und Vergehen.
Leben, Tod und Wiedergeburt. Alpha und Omega. Der Kreis als eine sinnstiftende geometrische
Figur.
Der längste Tag des
Jahres: im Juni erreicht meine Aufbruchstimmung einen Höhepunkt, ich will
maximales in der maximalen Tageslänge schaffen. Die Tage strotzen vor
Helligkeit und Farbenpracht. Die Natur hat sich ins Zeug gelegt und alles legt
gleichzeitig los. Der Juni ist so ungefähr der Höhepunkt meines Aktivitätsniveaus.
Unser Garten blüht auf, mit Freunden wird gegrillt, mein Geburtstag steht vor
der Türe, ich schaffe die höchsten Schwierigkeitsgrade bei meinen
Rennradtouren.
Herbstanfang: mit
dem Klima in der Köln-Bonner Bucht, dass die Hitzewellen kaum auszuhalten sind,
schafft mich der August. Der August kegelt mich aus meinem Gleichgewicht
heraus. Wenn es heiß ist, habe ich soviel Durst, dass ich mit dem Trinken kaum
nachkomme. Ich will mein maximales Pensum fortsetzen, doch im August gelingt dies
nicht. Ich bin aufgedreht und kann abends nicht einschlafen. Die Eindrücke
erschlagen mich. Mit sinkenden Temperaturen bessert sich im September die
Situation, und zum Herbstanfang bin ich wieder ausgeglichen. Zum Herbstanfang
werden die Nächte länger, und wenn es abends dunkel ist, kann ich die Überfülle
von Wahrnehmungen ausblenden.
Der kürzeste Tag des
Jahres: bei den sehr langen Nächten ereilt mich ein Stück Winterdepression,
dass die Eindrücke auf ein Minimum zurückgefahren werden. Abseits des
Weihnachtsrummels genieße ich die Stille dieser Tage, an denen ich gerne zu
Hause bin und mich dort besonders wohl fühle. Siehe dazu auch meinen Blog vom 20. Dezember 2011. Wenn man Weihnachten einmal ausblendet, mag ich diese
Jahreszeit sogar besonders, so ruhig und so einfühlsam ist es zu kaum einer
anderen Jahreszeit.
Equinoxe, zum
nächsten Frühlingsanfang schließt sich wieder dieser Kreis. Das neue Jahr ist
dann schon mehr als drei Monate alt. Jede Jahreszeit hat ihre eigenen Reize.
Ich lausche Equinoxe von Jean Michel Jarre.
Jean Michel Jarre, ja , den kenne ich auch allzugut. Ein völlig neuer Musiktstil damals. War eine schöne Zeit, an die gerne zurückdenke.
AntwortenLöschenLg
Barbara
Jedem Anfang wohnt ein Zauber inne...so fühle ich mich in jedem Frühjahr-alles ist möglich, auch im Garten. Träume von üppiger Blüte werden geträumt. Meist verspricht der Frühling mehr, als der Sommer halten kann- gartentechnisch gesehen. Und manchmal auch im richtigen Leben.
AntwortenLöschenFrühlingsgrüße zu dir,
Jo
Danke, ich werde Equinoxe nun mit ganz anderen Ohren hören.
AntwortenLöschenDanke, Equinoxe gefällt mir.
AntwortenLöschenWas das Wetter angeht: So wie es mom ist, könnte es für mich dauerhaft bleiben.
Eine schönen Feierabend wünsche ich dir
Wieczorama =^.^= Mein Fotoblog
Oh ja, die Elektronikmusik war auch in meinem Regal zu finden,
AntwortenLöschensowohl der "kalte" als auch der "lockerere" Stil.
Doch meine "Hauptmusikzeit" war eher sogar noch vorher.
Aber Du hast Recht: "Jede Jahreszeit hat ihre eigenen Reize!"
Liebgruß,
Tiger
=^.^=
Die Musik ist Klasse und passt wunderbar zu deinen Jahreszeitengedanken! Ein toller Beitrag!
AntwortenLöschenLiebe Grüße!
ich höre gerade Equinoxe - passt voll zu deinem Text und deiner Fahrradfahrt.
AntwortenLöschenIch wünsche dir einen schönen Frühlingsanfang :-)
lieber Gruß von Heidi-Trollspecht
Der lief bei uns auch hoch und runter, in allen Medien. Die Platte haben wir sogar noch - und der Ehemann legt sie auch ab und zu mal auf.
AntwortenLöschenGrüße! N.
Equinoxe von Jean Michel Jarre höre ich immer wieder gerne. Da hast du wieder etwas Tolles ausgegraben und passt hervorragend zum Frühlingsanfang. :-)
AntwortenLöschenLg Christa