Es gibt einmalige Vorgänge,
die mich für den Rest des Lebens geprägt haben. Als ich in der Ausbildung war,
hatte sich ein Kommilitone, der in meiner Wohneinheit im Studentenwohnheim
wohnte, das Album „Pat Garrett &
Billy The Kid“ von Bob Dylan gekauft. Rauf und runter hörte er dieses Album,
und jedes Mal, wenn Bob Dylans Stimme mit dem letzten Stück verstummte, drehte
er die Schallplatte wieder um, setzte den Tonkopf auf das erste Stück und die Bob
Dylan-Arie begann aufs Neue. Am zweiten Tag kam mir Bob Dylan an den Ohren raus:
höflich bat ich ihn, seinen Bob-Dylan-Konsum etwas zu reduzieren, und anstelle
von 7-8 mal pro Tag dudelte Bob Dylan nur noch 2-3 mal pro Tag drauf los.
Diese
undeutliche, nuschelnde Stimme, so als habe er gar keine Lust, die Worte
auszusprechen, erinnerten mich eher an einen Alkoholiker als an einen richtigen
Musiker. Wie besoffen kam mir seine Stimme vor, als hätte er sich einen Whisky
nach dem anderen heruntergekippt. Und ich fragte mich, ob Bob Dylan tatsächlich
seine Lieder in einem nüchternen Zustand singen würde.
Bob
Dylan, das war eigentlich eine Kultfigur – und weil mir damals Bob Dylan an den
Ohren herausgekommen war, weiß ich bis heute nichts mit ihm anzufangen. Obschon
er eine wichtige Leitfigur der 68er-Bewegung gewesen ist und obschon Wolfgang
Niedecken von BAP ihn als sein größtes Vorbild bezeichnet hat.
Einzige
Ausnahme: 1975 brachte Bob Dylan das Stück „Hurricane“ heraus, und dieses Stück
gefiel mir gerade mit dieser Stimme, weil sie nicht locker ließ, die nervte,
die nachbohrte, und weil ich auch den Text begriff, dass es nämlich um einen zu
Unrecht inhaftierten schwarzen Boxer ging.
Vor
etwa 2 Jahren hatte ich dieses Stück im Radio gehört, und weil ich mich an 1975
erinnerte und weil es mich das Schicksal dieses Boxers interessierte,
recherchierte ich im Internet, was aus ihm geworden war. Ich sollte auf eine
schier unfassbare Geschichte stoßen.
„Hurricane“
war ein schwarzer Boxer, der 1961 seine Karriere begann. Eigentlich hieß er „Rubin
„Hurricane“ Carter“, wobei „Hurricane“ sein Spitzname war. Beinahe – im Jahr
1963 – wäre er sogar amerikanischer Meister geworden, doch er verlor den
entscheidenden Kampf gegen Joey Giardello.
1966
wurde er in New Jersey festgenommen, weil er in einer Bar drei Männer ermordet
haben sollte. Ein Zeuge hatte „Hurricane“ als Täter erkannt. Er hatte kein Alibi, und
in dem nachfolgenden Prozess wurde er – vor dem ausschließlich weißen
Schwurgericht – zu einer lebenslangen Haftstrafe verurteilt.
Im
Gefängnis schrieb „Hurricane“ seine Autobiografie, in der er seine Unschuld
beteuerte. Er sei Opfer einer Falschaussage geworden. In einer kleinen Auflage
wurde 1974 diese Autobiografie gedruckt, und im Endeffekt erfuhrBob Dylan über
diese Autobiografie von „Hurricane“. 1975 setzte er sich über sein Protestlied
für die Wiederaufnahme des Gerichtsverfahrens ein. Daraufhin wurde das Verfahren
neu aufgenommen. Da sich aber keine neuen Beweise fanden, um „Hurricanes“
Unschuld zu beweisen, wurd die Wiederaufnahme wieder eingestellt.
Erst
10 Jahre später, 1985, geschah der Durchbruch. Freunde „Hurricanes“
recherchierten auf eigene Faust. Während des Verfahrens, welches zur
Verurteilung geführt hatte, hatte ein Privatdetektiv für die Staatsanwaltschaft
gearbeitet. Der Privatdetektiv war mittlerweile verstorben. In seinem Nachlass
fand sich ein Tagebuch, in der Einzelheiten des Gerichtsverfahrens dokumentiert
waren – unter anderem die Tatzeit der Morde. Während vor Gericht die Tatzeit
02:45 Uhr ausgesagt wurde, fand sich im Tagebuch des Detektiven die Tatzeit
02:28 Uhr wieder. Für die Tatzeit 02:28 Uhr hatte „Hurricane“ aber ein Alibi.
Daraufhin
wurde das Gerichtsverfahren ein zweites Mal wiederaufgenommen. 1985 wurde er
schließlich frei gesprochen und hatte somit 19 Jahre durch den Meineid eines
Zeugen unschuldig im Gefängnis verbracht. Die wirklichen Mörder wurden nie gefasst.
„Rubin „Hurricane“ Carter“ lebt heute in Kanada und ist 74 Jahre alt.
Vielen Dank für deinen interessanten Beitrag, Dieter!
AntwortenLöschenDas Schicksal des Boxers Hurricane habe ich als Film gesehen. Wenn man sich das nur vorstellt, dass er 20Jahre unschuldig eingesperrt war, wie traurig das ist.
Boby Dylan hab ich auch oft angehört, unser Sohn liebte diese Musik und ich mochte sie auch....er hat die Lieder auch mit Gitarre nachgespielt und dazu gesungen.
Ich kann dich trotzdem ganz gut verstehen....was zu viel ist ...ist zu viel!
Liebe Grüße von Zaunwinde
ich mag seine lieder....aber mir wurden sie auch nicht ständig vorgedudelt ;-)
AntwortenLöschenVon Bob Dylan weiß ich nicht sehr viel, da war dein Beitrag richtig spannend für mich! Den Song Hurricane kenne ich, weniger seine Geschichte. 20 Jahre wegen eines Meineides im Gefängnis, das ist unglaublich hart... Übrigens einer der Gründe weswegen ich auch die Todesstrafe aufs Schärfste verurteile. Dieses Urteil lässt sich nunmal nicht mehr revidieren...
AntwortenLöschenHerzlichen Dank für deinen netten Kommentar auf meinem Blog; vor 4 Jahren habe ich unter dem gleichen Titel bereits lange gebloggt, es aber dann aus familiären Gründen erstmal aufgegeben. Mein Account war noch da - leider der dazugehörige Blog nicht. Also auf ein Neues!
Liebe Grüße von der Kaffeetante
Lieber Dieter
AntwortenLöschenFür einmal finden wir uns musikalisch. Mir geht es mit Dylan ganz ähnlich wie dir: Ich weiss, dass er wichtig ist. Ich weiss sogar, warum. Doch ich kann es nicht nachempfinden. Hingegen gefällt mir die ganze CD "Desire" - Vor allem "One More Cup Of Coffee". Mir scheint auch, dass diese Lethargie in Dylans Stimme hier endlich aufgebrochen ist.
Ach ja... Eine CD 7-8 Mal pro Tag? Geht noch. Ich habe von Dylan-Jüngern gehört, die dasselbe Lied 50 Mal pro Tag hören, und das wochenlang!
Lieber Dieter,
AntwortenLöschenich bin ein bekennender Bob Dylan-Fan. Ich habe seine Platten damals auch
sehr oft am Tag gehört, wann immer es sich ergab.
Die Ausführungen zu dem Boxer sind gut - und die Verbindung zu Hurrikan genial.
Ich lese sehr gern hier. du hast mir die Frage gestellt - und hiermit ist sie
beantwortet. Auch wenn ich in den letzten Wochen nicht kommentiert habe, gelesen
habe ich immer.
Liebe Abendgrüße schickt
Irmi
ich war Bob Dylan-Fan - und höre ihn auch jetzt gerade bei dir im blog auch noch sehr gerne :-)
AntwortenLöschendanke fürs rein stellen
lieber Gruß von Heidi-Trollspecht
Teil 1: Genau so *grins*
AntwortenLöschenTeil 2: Solche Geschichten sind immer wieder unglaublich, doch leider immer wieder passiert.
Bob Dylan hörte ich früher recht gerne. In der letzten Zeit habe ich, ehrlich gestanden, so gut wie kein Lied mehr von ihm gehört.
AntwortenLöschenDeine Zeilen über die Art des Singens kann ich gut nachvollziehen.
Es ist schlimm, wenn ein Mensch unschuldig verurteilt und viele Jahre seines Lebens weggesperrt wird, besonders tragisch in diesem Fall wegen des geleisteten Meineids. Warum Menschen so etwas machen, ich kann es nicht verstehen.
LG Christa
Dieser Kommentar wurde vom Autor entfernt.
AntwortenLöschenEin schöner Beitrag von dir, den ich interessant finde.
AntwortenLöschenVielen Dank für deinen Kommentar. Kann gut sein, dass es Blumenstecker sind, denn ein langer Pieker war zu sehen. Bei deiner Meinung muss ich an Loriot denken. *lach*
,•’„.’ •,•’„.’•,
’•, ’ Ƹ̵̡Ӝ̵̨̄Ʒ. •’
…..`’•,, liche Grüße
Wieczorama =^.^=
Mein Wieczorama Fotoblog