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Mittwoch, 15. August 2012

Urlaub am Bodensee - Teil 3

7.  Immenstaad


Die Hütten des Dorfes ragten aus dem See heraus. Damit das Hochwasser sie nicht überschwemmte, baute man sie auf mannshohe Stelzen. Stege bildeten ein verzweigtes Netz: vom Ufer zu jeder einzelnen Hütte. Die Bewohner verkehrten mit Einbaumbooten auf dem See. Sie waren Jäger und Sammler, ernährten sich vom Fischfang. Für Getreideanbau war das unwegsame Gebiet um den See zu feucht, für Viehhaltung genauso.

So ungefähr war Immenstaad in der Bronzezeit besiedelt worden, das war vor 2000 Jahren. Freilich: bekannter sind die Pfahlbauten in Unteruhldingen, die zuletzt zum Weltkulturerbe ernannt worden sind. 1983 wurde in Immenstaad auch ein Pfahlbaufeld entdeckt, wodurch sich die Indizien verdichteten, dass die Vorfahren Immenstaads in der Bronzezeit sich genauso niedergelassen haben, wie man es sonst in Unteruhldingen besichtigen kann.

Urkundlich erstmals erwähnt wird Immenstaad 1094, als Herzog Welf IV. von Bayern dem Kloster Weingarten – ungefähr dreißig Kilometer entfernt - bedeutende Güter in Immenstaad schenkte. Da zu feucht, zu unwegsam, abseits der Handelsrouten, strategisch unbedeutend, hatten zuvor die Römer einen weiten Bogen um den Bodensee gemacht. Dies änderte sich, als germanische Volksstämme die römischen Besatzer aus Mitteleuropa vertrieben. In Süddeutschland waren dies die Alamannen. Wohl um 600-700 gründeten die Alamannen das heutige Immenstaad, dessen Namen mit Landestelle (Staad) des Fürsten Immo gedeutet wird.

Von der Bronzezeit über den Verkehr von Lastenseglern im Mittelalter bis zum heutigen Tourismus hat der See eine zentrale Bedeutung. Zwischen der Anlegestelle, der Uferpromenade und der Bachstraße, der Verlängerung der Anlegestelle, spielt sich heutzutage das maßgebliche Touristenleben ab. Man bummelt, flaniert, ist in Urlaubsstimmung, schaut in Geschäfte hinein, bevölkert Garten-Cafés, wechselt die Uferperspektiven, um den See in ständig neuen Variationen zu erleben.

Wenn sich das Kursschiff nähert, knistert es in mir voller Spannung. Der weiße Anstrich wirft fahle Muster auf die Oberfläche des Sees, die Umrisse des Schiffes verblassen in der Morgensonne. Ich lese „Bregenz“, dessen Buchstaben sich scharf am Bug zeichnen. Die Wellen formieren sich unaufgeregt. Der Wind streichelt das Wasser. Beschaulichkeit spannt sich auf bis zum Schweizer Seeufer.

Mit dem Schiff den Bodensee erkunden, das bedeutet, vom See aus die Breitseite an Landschaft kennen zu lernen. Entdeckung der Langsamkeit – so hatte Traude (Rostrose) einmal formuliert. Oder Entschleunigung – als Gegenbewegung zu Komplexität, multi-tasking, Technokratie, immer schnelleren Reaktionszeiten. Später, Richtung Hagnau und Meersburg, kleckert das Seeufer vorbei, im Zeitlupentempo. Nichts überstürzen. Das Panorama der Landschaft wechselt krass, doch in Ruhe kann ich mir all die mit Liebe in die Landschaft gezeichneten Details anschauen.


Als das Schiff zuvor den Immenstaader Anlegesteg verlassen hat, der mit 100 Metern der längste im gesamten Bodenseeraum ist, lasse ich die Kulisse von Immenstaad passieren. Vom Schiff aus betrachtet, ist dies vor allem eine Kulisse aus Ferienhäusern, die dicht an das Seeufer heranrücken und mal mehr, mal weniger Seeblick erhaschen. Dabei habe ich im Ort gelernt, dass Immobilien ein lukratives Geschäft sind. Das ist brav, artig, hübsch dekoriert, alleine die Kirche St. Judokus aus dem 15. Jahrhundert sorgt für eine historische Umgebung. Der dreieckige Kirchturm überragt den Ort. Die Mauern der Kirche erstrahlen in einem satten Weiß, so wie die übrigen Hausfassaden.


Dann, kurz vor dem Ortsende, schiebt sich eine Landzunge in den See hinein. Liegewiesen erstrecken sich bis zu einem gläsernen Kasten davor: das Aquastaad. 


Für mich bedeutet dies Badespaß zu jeder Jahreszeit, bei Sonnen- und bei Regenwetter, im Sommer wie im Winter, bei Hitze und bei Kälte. In dieser Badelandschaft haben wir uns alle gerne getummelt. 1983 hat man übrigens an dieser Stelle im See das Pfahlbautenfeld entdeckt. Steine geleiten die Badegäste in den See hinein. Baden im Bodensee, das ist ein Stückchen Meer, welches von den fernen Stränden des Mittelmeers herbei gezaubert wird. Palmen und Bananenstauden – die Vegetation liegt gar nicht so weit weg vom Mittelmeer. Doch der Weg in den  See ist steinig, die Sandstrände sind nicht bis hierhin transportiert worden. Meine Füße meckern, denn bis in den See müssen sie sich über Buckel von Steinen quälen.

Schwimmen, segeln, rudern, wandern, angeln, walken, Inline-skating, man ist hier aktiv in Immenstaad. Wie anderenorts am Bodensee, ist Immenstaad von sanftem Tourismus durchdrungen. Klötze von Ferienhaussiedlungen sind hier nicht zu sehen. Es werden keine Busladungen von Touristen ausgekippt. Massenanziehende Attraktionen wird man hier vermissen.

Radfahren habe ich bei den Aktivitäten noch nicht aufgezählt, denn Fahrradfahrer können sich wie im Paradies fühlen. Neben der Schifffahrt gibt es nicht schöneres, als den See mit dem Fahrrad zu erkunden. Das Netz an ausgeschilderten Fahrradwegen ist ausgezeichnet. Es gibt  einen durchgängigen Radweg, der ab dem Ortsende durch Weinberge führt. Ab Hagnau begleitet der Fahrradweg sogar das Seeufer. Wir hatten die Strecke früher einmal bis Überlingen geschafft, ohne Autoverkehr, auf separaten Radwegen, der See einen Steinwurf entfernt.

Tourismus, Weinbau, Obstanbau, Dornier-Werke, diese Elemente prägen Immenstaad. Die Umgehungsstraße trennt ungefähr die Domänen des Weinbaus und des Obstanbaus. Auf einem Apfel- und Weinspazierweg kann man beide Domänen erkunden. Hinauf auf den Hochberg, das ist ein 454 Meter hoher Aussichtspunkt.


Von dort aus kann der Blick die Fülle der Landschaft auskosten. Die Schattierungen der Schönheit entspringen im See, wo die Sonne im Wellenspiel glitzert, die Schönheit wandert über Weinberge, wo sich Reihen von Rebstöcken über Hügel schwingen, so weit das Auge reicht. Hinter der Trennlinie der Umgehungsstraße ergreift die Schönheit die Apfelbäume, wo Ende Juli die ersten Äpfel bereits geerntet worden sind. Waldstücke runden am Horizont die Gesamtkomposition ab, wo sie als Zickzacklinie zerlaufen.

Obst vom Bodensee – das ist ein Markenzeichen für die gesamte Region. Mittwochs Morgens ist Markttag, da wird Obst aus der Gegend verkauft. Gleich zwei Stände mit dicken, roten Äpfeln, die einen anlachen, stehen im Zentrum. Ich beiße in die Sorte „Elstar“ hinein. Der Apfel schmeckt saftig, süß, zerläuft auf der Zunge. Außerdem kann man an vielen Ecken Hochprozentiges kaufen: Obstler, Himbeergeist oder Kirschwasser. Denn so mancher Obsthof beherbergt eine Obstbrennerei. Doch da kann ich leider nicht allzu viel mitreden: bei Bier oder Wein endet meine Leidenschaft für einen guten Tropfen.


Ein Stück weiter, kurz vor dem Anlegesteg, kommt südländisches Flair auf. Eine Bühne, auf der Veranstaltungen im Freien stattfinden. Zugehört habe ich, als die Band „Route 66“ gespielt hatte. Das war Jazz vom feinsten. Wie „Tuxedo Junction“ von Glenn Miller. Das Grundmotiv des Orchesters, das auch wenigen Akkorden bestand, zog sich in die Länge durch Soloeinlagen. Vor allem der Saxophonist pustete fleißig in sein Instrument ein. Bei den Soloeinlagen war zwischendurch der Keyboarder an der Reihe, später die Trompete, so ging es reihum, und mit all den Soli und Grundakkorden hätte das Stück eine Ewigkeit dauern können, ohne jemals langweilig zu werden. Das war stundenlang Unterhaltung vom feinsten, bis wir irgendwann zurückdrehten in unsere Ferienwohnung.




An allen Ecken vom Tourismus geprägt, hat Immenstaad keine so schöne Altstadt wie Meersburg oder Überlingen zu bieten. Aber Immenstaad ist harmonisch. Fachwerkbauten treten nicht geschlossen auf, sondern als einzelne Episode. Das älteste Haus, das Haus Michael, wurde 1461 erbaut. 2001 renoviert, erhielt es 2003 den Denkmalschutzpreis. Weisheiten und Sprüche unter dem Gebälk regen zum Nachdenken an:

Nicht jeder ist seines Glückes Schmied. Vertrauen entsteht durch eingehaltene Versprechungen. Vermehren durch teilen. Der Mensch denkt er lenkt. Respektiere das Ende.

Unwillkürlich fällt man ins Grübeln und Philosophieren. Perla hat Haus Michael von innen kennen gelernt und bericht darüber in ihrem Blog.


 Daneben hauchen weitere Fachwerkbauten dem Ort Leben ein. Das Schwörerhaus, in dem einst Wein gekeltert wurde, stammt aus dem Jahr 1578. Besonders schön restauriert wurden im Ortsteil Kippenhausen das Haus Montfort und das Café Puppenhaus, die beide aus dem 18. Jahrhundert stammen. In Haus Montfort ist ein kleines Museum untergebracht. Im Café Puppenhaus konnte man bis vor einigen Jahren ein Puppenmuseum besichtigen.

In der Alten Vogtei, die 1732 erbaut worden war, haben wir in unserem Urlaub gerne gegessen. In dezenten roten Fliesen führt eine Treppe hinab. Im Gewölbekeller, der in der Form eines Rundbogens gemauert ist, fühlt man sich einige Jahrhunderte zurück versetzt.  Obschon die Preise ein leicht angehobenes Niveau haben, ist die Küche hier – wie zum Beispiel auch in dem gegenüberliegenden Lokal „Zum Hirschen“ – exzellent. Beim Essen bin ich stock-konserativ-schwäbisch oder badisch: ich esse Käsespätzle oder Maultaschen. Die Spätzle sind frisch zubereitet, die Zwiebelschmelze ist knusprig, die Portionen sind üppig. Und ein Müller-Thurgau aus Hagnau oder Meersburg rundet dieses Essen ausgezeichnet ab.

Hier in Immenstaad haben wir genossen, was es bei uns im Rheinland nicht gibt: eine regional-typische Küche. Hausgemachte Semmelknödel, Felchenfilet oder Rinderleberle. Auch die Gastronomie hat uns in den Himmel des Bodensees emporsteigen lassen.

6 Kommentare:

  1. C'est vraiment un très bel endroit ! Mais je ne comprends pas très bien où il se trouve exactement !
    Bon jeudi !

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  2. Das hast Du wunderbar erzählt Dieter. Eine traumhaft schöne Gegend, gefällt mir, da habt Ihr einen schönen Urlaub verleben können. Danke für die schönen Impressionen.
    Gute Nacht und liebe Grüße
    Angelika

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  3. das war eine schöne Zeit in meiner alten Heimat wie oft ich dort überall früher war...das ist schon ein schönes Fleckchen!
    Lieben Gruss Elke

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  4. ich habe deinen Urlaubsbericht auch gerne gelesen - und jetzt sehe ich Immenstaad wieder richtig vor mir - und damit auch viele Urlaubserinnerungen :-)
    lieber Gruß von Heidi-Trollspecht

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  5. Hausgemachte Semmelknödel.....neeee, das hätte ich jetzt nicht lesen dürfen, ich bekomme Hunger. *g*
    Ich liebe Semmelknödel, dazu frische Pfifferlinge und Salat, einfach köstlich.

    Sind alle Bohnen jetzt geerntet und für den Winter bevorratet? Da hat man schon immer etwas zu tun im Sommer, wenn Erntezeit im Garten ist, stimmt's?

    Ein toller Reisebericht von eurem Urlaub. In so einem Aquapark war ich bisher noch nicht, aber sicherlich ist es ein schönes Event für Groß und Klein. :-)

    Liebe Grüße
    Christa

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  6. Oh-schau!, lieber Dieter, du warst also "im Himmel des Bodensees" - und ich im realen Leben noch nicht einmal AM Bodensee... Liegt vermutlich daran, dass ich die Welt von außen nach innen zu erkunden versuche (also jetzt, wo ich noch ..."jung genug" bin, die ferneren Ziele, später dann die näheren...) Aber Dank dir war ich nun wenigstens virtuell dort. Sieht schön aus und hat auch eine spannende, lange Geschichte. 1983 - das Jahr der Pfahlbau-Entdeckung - ist übrigens auch das Erscheinungsjahr des Nadolny-Romanes "Die Entdeckung der Langsamkeit" (http://de.wikipedia.org/wiki/Die_Entdeckung_der_Langsamkeit) - die Formulierung darf ich also nicht für mich beanspruchen, aber sie passt in mein Leben :o)
    Ich lass dir liebe Grüße da, Traude
    PS: Danke für deine lieben Zeilen zu meinen Wiesen-Aufnahmen - ja, ich geh auch erst so aufmerksam und detail-verliebt durchs Grüne, seit ich ein Makroobjektiv besitze - da lernt man, anders zu sehen...

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