Es war eine verkehrte Welt.
Mit meinen Arbeitskollegen hatte ich den Urlaubsplan nur so abstimmen können, dass ich eine Woche am Bodensee bleiben konnte, während die restliche
Familie 14 Tage bleiben durfte. Doch die großen Kinder rebellierten. Der
Bodensee war ihnen nicht exotisch genug, eher ein Urlaubsziel, wenn wir Eltern
in Rente sind. Die Attraktionen, die wir bereits in früheren Urlauben besucht
hatten, waren ihnen langweilig. Die Situation war absurd. Die großen Kinder
waren gezwungen auszuharren. Und ich wäre gerne geblieben und musste abreisen.
Wieder auf nach Konstanz.
12.38 Uhr fuhr mein Zug ab. Ab Immenstaad nahmen wir das erste Schiff, denn der
Wetterbericht hatte eine Gewitterfront angekündigt. Man hatte uns erzählt, wenn
der See aufgewühlt und stürmisch ist, dass dann der Schiffsverkehr eingestellt
wird. Der See war aber ruhig und zahm. Die Sonne versteckte sich hinter einem
kompakten Wolkenschleier. Pünktlich lief das Schiff in den Konstanzer Hafen
ein. Ungefähr anderthalb Stunden konnten wir noch durch Konstanz bummeln, bis
mein Zug kam.
Wir hatten keinen Plan.
Einmal quer durch die Altstadt und zurück. Bahnhofstraße, Rosgartenstraße,
Wessenbergstraße. Ich musste auf die Uhr schauen, um gegen halb eins am Bahnhof
zu sein. Mit den zahlreichen bemalten Hausfassaden erinnerte mich die Konstanzer
Altstadt an Lindau. Sie war hübsch, doch nicht ganz so spektakulär. Homogen, in
sich geschlossen, verband sie einen Einkaufsbummel mit einer harmonischen
historischen Umgebung. Im zweiten Weltkrieg war nichts nennenswertes zerstört
worden.
Schuhläden und
Bekleidungsketten, Unterhaltungselektronik und Buchläden. Wir stöberten hier
und da. T-Shirts in frischen Farben, Bücher über Kunst am Bodensee, die neueste
Edition von Star Wars Battle Field, Sandalen für unser kleines Mädchen. Dass
wir die Läden ohne Einkäufe verließen, fanden wir nicht weiter schlimm.
Ich studierte einige
Fassadenmalereien. Es mussten Szenen aus der Stadtgeschichte sein. Ein Zug mit
einem Fahnenträger schritt voran. An der Spitze des Zuges knieten zwei Männer
vor einem Herrscher nieder und schauten ehrfürchtig in sein Gesicht. Was
geschah in diesem entscheidenden Augenblick ?
Zeit, diese Frage zu beantworten
hatte ich keine mehr. Am Restaurant zum Elefanten nahte mein Abschied. Das war Wehmut.
Und so verrückt, denn andere wollten nach Hause, und ich wäre liebend gerne
geblieben. Keine lange Abschiedsszene, ein paar Mal all meine Lieben knuddeln. Dann
strebte ich zum Konstanzer Bahnhof.
Es war ein Abschied auf
Raten. Pünktlich um 12.38 Uhr fuhr der Regional-Express nach Karlsruhe los. Ich
stieg in die obere Etage des Doppelstockwagens und genoss die Aussicht. Der Zug
passierte die Brücke. Von dort aus gönnte man mir für einen kurzen Augenblick
einen Blick auf den Hafen und auf den Bodensee. Dahinter erst Wohngebiete, dann
Industriegebiete. Das war öde, platt, identitätslos, sinnstiftend alleine in
der Produktion, wie sonst wo in Industriegebieten. Mitten in dieser
industriellen Einöde hielt der Zug in Konstanz-Petershausen. Dann drehte der
Zug zum See zurück. Er fuhr so nahe am Seeufer, dass sich die Insel Reichenau
glasklar aus dem See herausschälte. Ich war hingerissen. Die romanische
Basilika stach genauso deutlich heraus. Der Vierungsturm markierte genau das
Herz der Insel.
Allensbach, der nächste Halt.
Einige freistehende Einfamilienhäuser versperrten den Blick auf den See. Nie im
Leben hätte ich vermutet, dass Allensbach am Bodensee liegt. Allensbach kannte
ich nur von Meinungsumfragen, jede Menge Statistik, Zahlenkolonnen ohne Ende, Marktforschung,
Einkaufsverhalten, Wahlprognosen.
Weiterfahrt. Der Blick zum
gegenüberliegenden Ufer verengte sich. Schilfgewächse verdichteten sich am
Seeufer, das seicht und flach ausglitt. Der endgültige Abschied nahte in
Radolfzell. Schon am Bahnhof war nichts mehr vom See zu sehen. Danach sah ich
ein letztes Mal ein Stückchen See. Wehmütig schrumpfte der Seeblick. Der
Bodensee verabschiedete sich mit einem Bierzelt und einem Zieleinlauf, denn in
Radolfzell fand an diesem Wochenende ein Triathlon-Rennen statt. Schließlich
drehte der Regionalexpress nach Karlsruhe weg und steuerte auf den Hegau und
den Schwarzwald zu.
Hallo Dieter,
AntwortenLöschenschade dass Du nur eien Woche am Bodensee bleiben konntest. Den Bodensee und seine Umgebung würde ich mir auch gerne mal ansehen, vielleicht schaffe ich das ja mal. Bisher ist mir zweimal etwas dazwischen gekommen wenn ich es geplant hatte.
Ich hoffe Deine großen Kinder hatten (trotz Rebellion)noch Urlaubsfeeling.
Gruß Nachtfalke
Die Bedürfnisse von Eltern, großen und kleinen Kindern immer unter einen Hut zu bekommen, das ist nicht einfach, Dieter. Schade, dass du nicht länger bleiben konntest.
AntwortenLöschenIch denke dennoch, dass auch die größeren Kids ihren Spaß am Bodensee hatten. Wer weiß, wie lange sie überhaupt noch mit euch gemeinsam in Urlaub fahren werden.
Auch deine Reisebeschreibungen, Teil 4, waren wieder sehr lesenswert. :-)
Danke noch für deinen Link auf meinem Blog, diese Brücke werde ich mir anschauen.
Liebe Grüße
Christa
Tach Dieter so ist das, wenn die Kids größer werden, dann gemeinsame Urlaubspläne unter einen Hut zu kriegen, kein einfaches Unterfangen. Hoffe sie haben trotz dem noch eine schöne Zeit am Bodensee.
AntwortenLöschenSchade das Dein Urlaub nur so kurz war.
Einen schönen Abend und liebe Grüße Angelika
Hallo Dieter!
AntwortenLöschenLetztes Jahr waren wir am Bodensee, sind von Konstanz nach Radolfzell geradelt.
Die Strecke zwischen Konstanz und der Reichenau war gar nicht schön. Irgendwie hatte ich in Erinnerung, dass der Radweg näher am Wasser liegt, aber das habe ich in der Erinnerung wohl etwas verklärt.
Konstanz hat mir aber sehr gut gefallen.
VG
Elke
Hallo Dieter, ich kann es Dir nachempfinden, am Bodensee ist es wunderschön.
AntwortenLöschenWir waren auch zweimal dort, aber immer nur eine Woche und haben längst nicht alles gesehen, Ivh habe auch viele Bilder gemacht und die Häuserbemalungen in dieser Region finde ich auch ganz toll, sowie die vielen schönen Zunftschilder.
Die jungen Leute wollen Aktion haben, aber junge Leute mit Kindern sind rot auch anzutreffen, nicht nur die ältere Generation.
Ich wünsche Dir ein schönes Wochenende, liebe Grüße Ulrike
Kinder haben ihre eigenen Vorstellungen von Ferien. Wenn ich meine Eltern früher begleiten musste, war es mir auch super langweilig in Museen und Kirchen. Heute ist es anders, da besichtige ich gerne die einst gehassten Orte. Unsere Kinder dürfen/durften sich ihre Ferien selber aussuchen/buchen, so haben wir keinen Stress. Dir hätte ich gerne noch eine weitere Woche Bodensee gegönnt.
AntwortenLöschenLG Arti
Deine Wehmut kann ich mir so richtig gut vorstellen.
AntwortenLöschenWir waren letztes Jahr 9 Tage in Österreich. Und zwar in dem kleinen Örtchen, wo ich mit meinen Eltern früher immer in Urlaub fuhr. Somit kenne ich die Gegend und sehenswürdigen Orte dort und Erinnerungen an meinen leider früh verstorbenen Vater kamen mit diesem Urlaub hoch und diese schönen Erinnerungen gingen mit jedem Kilometer Heimfahrt am Ende des Urlaubs wieder etwas verloren ... es war, als würde ich ein Stück Heimat verlassen bzw. Herz verlieren :-(