wer bin ich ? ich heiße Dieter

Freitag, 15. Juni 2012

Ottfried Preussler - Die Kleine Hexe

Eigentlich bin ich ein schlechter Geschichtenerzähler. Ich kann nichts aus dem Stehgreif erzählen. Ich muss es mir aufschreiben, um es erzählen zu können. Dennoch lese ich gerne unserem kleinen Mädchen die Gutenachtgeschichte vor. Ihre Bettdecke bis über die Schultern gezogen, schaut sie mich mit großen Augen an.

Nicht immer bin ich an der Reihe – je nachdem, welche Arbeiten in Küche und Garten noch zu erledigen sind. Wenn ich vorlese, genieße ich die Geschichten aus den Kinderbüchern. Unbeschwert wird drauflos erzählt. Alles ist echt, keiner biegt sich selbst zurecht. Am Ende haben sich alle lieb. Manches ist so lustig erzählt, dass wir beide uns vor Lachen kaum noch einkriegen können.

Zuletzt war Karlsson vom Dach an der Reihe. Drollig, wie er mit seinem Propeller in die Häuser hinein fliegt und dort Unsinn anstellt. Nun lesen wir Till Eulenspiegel. Närrisch, wie er in Norddeutschland die Menschen mit seinen Streichen an der Nase herum führt. Davor haben wir die Kleine Hexe gelesen.

Ottfried Preussler: erst beim Schreiben habe ich herausgefunden, dass der Kinderbuchautor noch lebt und heute 85 Jahre alt ist. Die Kleine Hexe ist bereits im Jahr 1957 erschienen. Erstaunt habe ich festgestellt, dass das Buch auf der ganzen Welt gelesen wird – die Übersetzungen reichen von Russland über Indonesien, Thailand und Japan bis nach China.

Die Geschichte der Kleinen Hexe rankt sich um ihr Alter. Es fängt an wie in jedem Märchen: „es war einmal eine Kleine Hexe, die war erst 127 Jahre alt, und das ist für eine Hexe noch gar kein Alter. Sie wohnte in einem Hexenhaus … „

Bibi Blocksberg, Hexe Lilli und die Kleine Hexe: Hexengeschichten gehören für mich zu den schönsten Kindergeschichten. Sie stecken voller Überraschungseffekte, wenn aus dem Nichts gezaubert wird. Wenn Unangenehmes einfach weggezaubert wird. Oder wenn etwas schnell daher gezaubert wird, was man sich sonst mühsam erarbeiten müsste. Oder wenn Menschen verzaubert werden und sich so verhalten, wie sie gar nicht sind. Beim Zaubern macht es Kling-Kling oder es knallt – dieser Augenblick steckt voller Spannung.

Die Kleine Hexe möchte gerne mit den großen Hexen auf dem Blocksberg die Walpurgisnacht feiern. Ein großes Feuer wird angezündet, die Hexen tanzen und fliegen auf ihren Besen durch die dunkle Nacht. Zwischen die großen Hexen hat sie sich hinein gemischt. Das ist aber verboten, denn mit ihren 127 Jahren ist sie zu jung. Dies ist ein Alter, das mit dem menschlichen Verstand nicht mehr begreifbar ist. 127 Jahre und zu jung: wie alt mögen die großen Hexen sein ? Sie bekommt ihre Strafe aufgebrummt, dass sie nur noch Gutes hexen soll, außerdem wird ihr Besen verbrannt.

Mucksmäuschenstill ist unser kleines Mädchen, wenn ich vorlese. Voller Spannung erwartet sie das nächste Kapitel. Sie hebt ihren Kopf, um noch aufmerksamer zuhören zu können. Ihr Kuschelpferd hat sie beiseite gelegt. Meine Ellbogen lehne ich über den Rand ihres Hochbetts. Ab und an wird die andächtige Stille unterbrochen, wenn ein Auto vor unserem Haus vorbei fährt.

So wie von den Großen Hexen gewünscht, setzt die Kleine Hexe ihre Zaubersprüche gegen böse Zeitgenossen ein. Zankende Kinder, die einen Schneemann zerstören wollen, werden vertrieben. Sie verhindert, dass ein Ochse bei einem Schützenfest geschlachtet wird. Ein Revierförster, der alten Frauen verboten hat, im Wald Klaubholz zum Heizen zum sammeln, wird verhext und sammelt selbst das Klaubholz ein. Ihr Drang nach guten Taten nimmt kein Ende – ein Kastanienverkäufer braucht bei eisiger Kälter nicht mehr zu frieren – ein armes Mädchen mit zahlreichen Geschwistern, dessen Vater gestorben ist, bessert das Familieneinkommen durch den Verkauf von Papierblumen auf.

Von der Hörcassette, die wir im Auto rauf und runter gehört haben, habe ich noch das Lied der Hexen auf dem Blocksberg in den Ohren:
„Heia Walpurgisnacht …
… heia der Vollmond kracht
… heia heia hooo …“

Mysteriös und kraftvoll ist dieses Lied zugleich. In dem Buch habe ich gelernt was es alles für Arten von Hexen gibt: Berghexen, Waldhexen, Sumpfhexen, Nebelhexen, Wetterhexen, Windhexen, Knusperhexen, Kräuterhexen.

Sie alle versammeln sich ein Jahr später. Der Hexenrat entscheidet, ob sie bei der Walpurgisnacht mit dabei sein kann. Sie muss eine Prüfung bestehen und Aufgaben zur Zauberei lösen. Dies schafft die Kleine Hexe bravourös. Ihrem Ziel ist sie ganz nahe gekommen. Doch dann scheitert sie an einer Wortverdreherei. Eine gute Hexe ist eine böse Hexe – also hätte sie Böses hexen sollen. Sie blamiert sich bis auf die Knochen. Zur Strafe soll sie Holz für das Hexenfeuer einsammeln. Sie soll an einen Baum gebunden werden und zuschauen. Ein vernichtendes Urteil. Doch sie rächt sich: mit einem Hexenspruch sammelt sie sämtliche Zauberbücher und Besen der Hexen ein und macht daraus ein Feuer. Ganz alleine feiert sie die Walpurgisnacht. All die anderen Hexen schickt sie in die Hölle.

Unser kleines Mädchen kuschelt sich ins Kopfkissen ein. Sie trinkt, nachdem ich ihr ein Glas Mineralwasser geholt habe. Ihre Augen werden kleiner und fallen schnell zu. Morgen geht es wieder in die Schule.

10 Kommentare:

  1. Hallo,

    ja die kleine Hexe. War schon bei mir beliebt und auch unsere Kinder mögen sie. Ob als Kassette (CD) oder vorgelesen. Ich habe sogar meine Schallplatte noch. Ab und zu hören wir meine Schallplatten aus Kindertagen an, gerade wenn mal wieder Regentage sind.

    Lg

    Barbara

    AntwortenLöschen
  2. diese Geschichte ist weltbekannt und meine kinder liesen sie alle und war sogar Pflicht in Deustch sie zu lesen und Aufsatz zu schreiben über das Buch..
    Wenn ich überlege wieviele Büche rich schon vorgelesen habe meinen drei Kindern.. und es ist eine wunderbare Zeit Abends zum einschlafen.. diese ruhige gemeinsame Zeit!
    Schön erzählt...

    Lieben Gruss Elke

    AntwortenLöschen
  3. Ich glaube, diese Geschichte lieben alle kleinen Mädchen und Vorlesen vor dem Einschlafen, das ist ein Ritual für die Kleinen, was sehr wertvoll ist. Es schafft Vertrauen, vertieft die Bindung und letztendlich versetzt es die Kleinen in einen beruhigenden Schlaf. Da war noch jemand da, der sich Zeit nahm, zuhörte und den Tag ausklingen ließ.

    Ich habe das früher bei meiner Tochter so gehandhabt und auch, wenn immer es ging, bei meinen Enkelkinder. Genieß einfach diese Minuten!

    Liebe Grüße
    Christa

    AntwortenLöschen
  4. Herrlich, ich habe sie auch als kleiner Junge geliebt, die kleine Hexe :-) Danke für das Wecken dieser schönen Kindheitserinnerung!

    LG
    Micha

    AntwortenLöschen
  5. ich habe die Geschichte auch schon vorgelesen - und war selber auch ganz begeistert. Schön dass du so viel Freude daran hast, deiner Tochter Geschichten vorzulesen und mitzuerleben. Deine Tochter wird die Geschichten später bestimmt ganz besonders lieben ... und dich natürlich auch :-)

    lieber Gruß von Heidi-Trollspecht

    AntwortenLöschen
  6. Hurra! Danke für diese Erinnerung!! Als Kind habe ich die kleine Hexe geliebt. Egal ob als Buch oder als Kassette. Jetzt habe ich sogar glatt den Geruch von damals in der Stadtbücherei in der Nase. Dort waren wir immer jeden Samstag Vormittag vor dem Einkauf auf dem Markt....

    Hach. Danke! :)

    AntwortenLöschen
  7. Hej Dieter,
    wer von den Erwachsenen würde nicht gern ab und zu zaubern können? Etwas her oder wegzaubern, einfach so,- wär's das nicht? In Anbetracht dieses Buches darf man gerne die eigene Phantasie ein wenig wirken lassen, in Tagträumen, die so entspannend sein können. Selbst Kinderbücher können einem Erwachsenen etwas geben und mein Lieblingsbuch der Kinderzeit war: "Peterchens Mondfahrt". Ich nehm es heute noch ab und zu zur Hand ;-)

    LG
    Beate

    AntwortenLöschen
  8. Vorlesen-das ist das Paradies. Ich denke gernb an die Zeit, als meine Männer noch klein waren und wir uns von Kalle Blomqvist bis Lippels Traum über Feuerschuh und Windsandale geschmökert haben. Herrliche Zeiten waren das.

    Viele Grüße in die Welt der Hexen und großen Kinderaugen
    Jo

    AntwortenLöschen
  9. Das Vorlesen von Geschichten am Abend am Bett sitzend, oh ich kann mich erinnern, manchmal bekommen sie nicht genug und Mutti könnte sich gleich mit ins Bett legen, aber es ist schön, bei unserem Enkel machen wir es auch so,da liest aber der Opa wenn er bei uns schläft. Da liegt nur ein Buch oben, die Geschichte vom Riesen Timpetu, der die Maus verschluckt hat und dem der Doktor Isegeimm sagt,... vershcluckt ne Mietzekatz dazu dann gibt die Maus gleich Ruh.

    Euch allen ein schönes Wochenende, liebe Grüße Ulrike
    Vielen Dank für Deinen schönen Kommentar

    AntwortenLöschen
  10. Die kleine Hexe ist toll, beide Kinder haben sie geliebt und ich habe das Buch gerade in den Karton: unbedingt aufheben und mitnehmen gepackt.

    Grüße! N.

    AntwortenLöschen