Das letzte Stück Helligkeit entfaltete eine magische Kraft. Der verbleibende Rest des Tages klammerte sich an dem wolkenlosen Streifen fest, der sich zwischen den zerrissenen Wolkenfetzen behauptete. Die Dämmerung leuchtete dagegen: längst war die Sonne hinter den Hängen des Kottenforsts abgetaucht, in den Bürotürmen des Posttowers und des ehemaligen Abgeordnetenhauses herrschte noch geschäftiger Betrieb, und die Lichter der aalglatten Hochhausfassaden flackerten im Rhein.
So schön konnten Sonnenuntergänge sein. Der kürzeste Tag des Jahres hatte sich seinem Ende zugeneigt und glitt übergangslos in die dunkle Nacht hinein. Ich stelle fest, dass auch die dunkle Jahreszeit ihre eigenwilligen Reize hatte. Sämtliches Treiben war nicht mehr so extensiv nach außen gerichtet. Die Dunkelheit hatte einen morbiden Charme und griff in das kahle Geäst von Bäumen hinein. Auf der Rheinpromenade war es einsam geworden. Zwischen dem spärlichen Licht von Laternen begegnete man höchstens noch Spaziergängern, die als einzelne Erscheinung herum tappsten. Eine Ruhe breitete sich aus, wie man sie tagsüber nicht erleben konnte.
Wenn im Dunkeln diese Überfülle an Eindrücken, Informationen und Aktionspotenzialen ausgeblendet wird, finde ich zu mir selber zurück. Plötzlich empfinde ich einen Drang, zu Hause sein zu wollen, Bücher zu lesen, Blogs zu schreiben oder mich sonstwie gemütlich auszubreiten. Mich aufs wesentliche konzentrieren. Nicht mehr dieser Spam-Situation ausgesetzt sein, dass etwa 95% der Informationen Müll sind. Ich habe das Gefühl, dass die Dunkelheit all diese fremden Kräfte lähmt, die mich in eine Richtung drängen, in die ich eigentlich gar nicht hinein will.
Am kürzesten Tag des Jahres, wenn draußen die tiefste Nacht regiert, blühe ich im Inneren auf. Quatschen, lesen, auch fernsehen. In der dunklen Jahreszeit hat sich mein Körper auf einen natürlichen Tagesrhythmus eingestellt. Ein leckeres Glas Wein ist eher die Ausnahme. Wenn die Uhrzeit fortgeschritten ist, ermüde ich beim Lesen. Meine Konzentration sackt in den Keller. Gegen 10 oder 11 Uhr bin ich so bettschwer, dass ich schnell einschlafe. Dafür bin ich am nächsten Morgen um 5 oder 6 Uhr – je nachdem, ob der Sohn zur Berufsschule muss oder zum Arbeitsplatz – hellwach. Dieser aktive und angeregte Zustand dauert dann den ganzen Tag an.
Am nächsten Tag war über der Nacht der Schnee gekommen, mit einer dicken, einhüllenden Schicht, in der die Schuhe knirschten. Dem Wetterbericht im Internet hatte ich nicht geglaubt, dass für uns – das ansonsten vom Schnee vernachlässigte Rheinland – ein Verkehrschaos vorhergesagt wurde. Bus und Bahn brachten mich aber pünktlich zur Arbeit, und mittlerweile löste sich der Schnee in einer matschigen, nassen Pampe auf.
Stimmungen im Schnee inspirieren mich, wenn diese als Intermezzo auftreten. Alles ist wie verzaubert, es glitzert, die Natur ist wie mit Puderzucker bestreut.
Aber bitte kein Winter wie vor zwei Jahren. Da dauerten die Zwischenspiele, dass der Schnee verschwand, nur kurz, um ein paar Tage später mit noch größerer Heftigkeit zurückzukehren. Wir versanken erneut im Schnee, der tagsüber abtaute und nachts tückische Glatteisflächen produzierte. Bis in den März hinein litten wir unter Temperaturen wie im Gefrierschrank, und der Winter wollte einfach nicht verschwinden.
Obschon ich nicht im entferntesten depressiv bin: bei soviel Schnee hatte mich eine regelrechte Winterdepression überfallen …
Hallo Dieter,
AntwortenLöschenDein Tagesbuch liest sich sehr gut und bemerkenswert ist, dass von allem etwas dabei ist, was den Tag so aucmacht.
Es freut mich, dass Du einen Komentar unter meinen Gänsecollage geschrieben hast, villeicht hat Du auch gesehen, dass ich auch noch einen anderen Fotoblog habe.
Ich wünsche Dir Zufriedenheit in der großen Stadt und ein besinnliches Weihnachtsfest,
herzliche Grüße Neumi