Als wir das Parkhaus unter dem Nolensplein verließen, fühlten wir uns in die Zeit des Golfkrieges versetzt. Panikkäufe. Angst vor Versorgungsenpässen. Supermärkte wurden ratzekahl leer gekauft. Menschen schoben vollbeladene Einkaufswagen zu den Aufzügen, die zu den unteren Parkdecks führten. Paletten von Getränkedosen stapelten sich in einem der Einkaufswagen.
Hinter der gläsernen Ausgangstüre spazierten wir geradewegs
in den Trubel des Stoffmarktes hinein. Venlo, die Stadt und der Stoffmarkt
hatten so überzeugend geklungen, dass die Bekannte A. uns begleiten wollte.
Ihren Mann interessierte so etwas nicht. War ich ein Unikat ? Als Mann auf
einem Stoffmarkt ? Bunte Märkte reizten mich, auch, wenn dort Stoffe verkauft
wurden. Ich fand, dass sie durch die Farben und vor allem die Muster noch an
Lebendigkeit gewannen. Also hinein in den Stoffmarkt. Und ich fand es
schlichtweg schön, wenn meine Götter-Gattin Einkaufstaschen oder
Karnevals-Kostüme oder Vliess-Shirts nähte.
Bereits im März hatten wir den Stoffmarkt in Venlo besucht.
Kissen, Applikationen, Kurzwaren, Knöpfe, Aufnäher, Reißverschlüsse, Leinen,
Wolle, Garn, Kissen, Gardinen, Tischdecken, Schnittmuster, Bettfedern – das
Warenangebot quer über den Nolensplein glänzte vor Vielfalt. Die beiden Frauen
wussten, was sie suchten. A. wollte eine Patchworkdecke und eine Tischdecke nähen.
Sie kaufte so viel Vliess-Stoff, dass die dicke Plastiktüte überquoll und ich
zwischendurch den Berg von Plastiktüten im Auto deponieren musste. Meine
Göttergattin wollte die Serienproduktion von Einkaufstaschen fortsetzen. Sie
achtete auf den Preis. Stoffe in dezentem Lila mit weißen Punkten, orange-weiß-braun
gestreift, orange-weiß-braun im Zickzackmuster, alles in der Preislage von 5
bis 6 € pro Meter – das war in Deutschland für diesen Preis nicht zu haben. Dazu
jede Menge Band und Reissverschlüsse. Die beiden Frauen zeigten an den
Marktständen ein Einkaufsverhalten, das ansonsten eher Seltenheitswert hatte:
zielgerichtet, nicht abschweifend, durchdacht, strukturiert. Die Auswahl an den
Ständen war riesig und die Preise stimmten.
Mit Stoffen für mehrere Wochen eingedeckt, trieb uns der
Hunger danach in eine Frittenbude. Auf Deutsch warb sie für „die besten Fritten
aus frischen Kartoffeln“. Hinein. Mit Fritten in der Tüte und drei „Frikandel
Speciaal“ fanden wir uns an einem Tisch wieder und stellten fest, dass
diejenige Frittenbude, in die wir auf dem Stoffmarkt in Maastricht eingekehrt
waren, noch gemütlicher war. Dort waren wir am Tisch bedient worden, die
Fritten mit der Frikandel bekamen wir auf dem Teller serviert. In dieser
Frittenbude in Venlo kam mir das provisorisch vor, mit der Frittentüte in der
einen Hand und Plastikmesser-/gabel als ein Besteck in der anderen Hand, um die
„Frikandel Speciaal“ in Stücke zu schneiden. Und das entscheidende war: die
Fritten schmeckten zweifellos nach frischen Kartoffeln, aber in der Frittenbude
in Maastricht – oder auch in Visé in Belgien – war dieser Geschmack noch
intensiver, zumal dort die Fritten in zwei Frittiervorgängen zubereitet wurden.
Anschließend bummeln durch Venlo, denn es war verkaufsoffener
Sonntag und die Geschäfte waren geöffnet. Am Rathaus stoppte ich, denn an einem
Seiteneingang las ich die Jahreszahl 1598. Vom Rathausplatz sah ich es mir in
der vollen Größe an. Es dürfte zu den schönsten Rathäusern in den Niederlanden
(und natürlich darüber hinaus) zählen. Oben an den beiden Türmen konnte ich
sogar zwei Glocken erkennen. Inspiriert durch Nova, ist mein Blick für
Glockentürme momentan sehr geschärft. Ich schoss aber keine Detailfotos von den
beiden Glockentürmen, denn irgendwann nutzt sich das Thema ab, wenn zu viel
über Glockentürme geschrieben wird.
A. machte uns darauf aufmerksam, dass Weihnachten nicht in
allzu weiter Ferne liegt. Und so strebten wir in ein Spielwaren-Geschäft
hinein. Legos waren haufenweise reduziert. Unsere Kleine war von den
Barbiepuppenkleidern nicht mehr wegzulotsen. Mir war nach Weihnachten nicht
zumute. Ich ging nach draußen, setzte mich auf eine Bank und harrte aus, wie
sich die Dinge entwickeln würden. A. hatte ein Weihnachtsgeschenk für Ihren
Mann gefunden: ein Modellbau-Auto. A’s Mann war begeisterter Modellbauer.
Ein Stück weiter registrierten wir, dass auch Venlo
multikulturell war und dass sich Traditionen vermischten. Oktoberfeststimmung
in Venlo. Eine Bühne war in der Fußgängerzone aufgebaut. „Weißwurst“, „Leberkäse“,
„Oktoberfestbier“ – die deutsche Sprache dominierte. Die Plastiktischdecken an
den Biertischen trugen das traditionelle blau-weiße Rautenmuster. Bayern hatte
in Venlo Einzug gehalten.
Noch ein Abstecher zu den „2 Brüdern von Venlo“, bevor wir
zum Nolensplein zurückkehrten. Dieses Kaufhaus war schuld an all den
Panikkäufen, die wir beim Verlassen des Parkhauses beobachtet hatten. Mit jede
Menge Kaffee legte das Kaufhaus los, über mehrere Regalreihen hinweg nur Kaffee.
Zum Beispiel eine Viererpackung „Tchibo Feine Milde“ für 6,98 € - die hatten
wir nebenher in der Fußgängerzone gekauft. Mein eigentliches Ziel war
belgisches Trappistenbier, das in Deutschland schlichtweg nirgendwo zu kaufen
war. Mit fünf 0,3 l-Flaschen Westmalle und einem Chimay deckte ich mich ein. Sechs
Abende mit einem leckeren Bier waren also gerettet. An der Käsetheke wurde ich
schwach – ich kaufte aber nichts. Ich bin ja ein leidenschaftlicher Käseesser.
Die Reifegrade sind in den Niederlanden stärker differenziert. Während man in
Deutschland nur jungen, mittelalten und alten Holländer kennt, gibt es in den
Niederlanden die Reifegrade „jong“, „jong belegen“, „belegen“, „extra belegen“
und „oud“. Wenn ich früher auf niederländischen Märkten Käse gekauft hatte, konnte
ich keinen geschmacklichen Unterschied zu Deutschland feststellen. Bei den Cola-Dosen
griff schließlich meine Göttergattin zu: 29 Cent pro Dose. Seitdem in
Deutschland das Dosenpfand sein Unwesen trieb, mussten wir auf das Ausland
ausweichen. Getränkedosen sind klein, handlich und bequem, wenn man unterwegs
ist. Ein Handgriff, und die Dose ist geöffnet. Eine ganze Palette Cola-Dosen
wanderte in unseren Einkaufswagen. Außerdem kauften wir mehrere
Pralinen-Schachteln für 2,99 € - für Geburtstage oder als Mitbringsel. Die
geballte Kraft des Konsumwahns staute sich vor den Kassen. Dabei war unser
Einkaufswagen geradezu leer gegenüber all den anderen Einkaufswagen, in denen
sich die Waren türmten und der Einkaufsrausch kein Ende zu finden schien.
Nach vier Stunden Einkaufsbummel fanden wir den Weg zurück
zu unserem Auto. Wir freuen uns schon auf den nächsten Stoffmarkt in Venlo. Oder
auch zwischendurch, denn jeden ersten Sonntag im Monat ist ein verkaufsoffener
Sonntag.
Ja mein lieber Dieter
AntwortenLöschenIn diesem Fall bist Du wirklich ein Unikat....
Welcher Mann geht mit seiner Frau zum Stoffmarkt und hat auch noch Spass dabei.
Deine Frau ist ein Glückspilz, das Du sie begleitest.
Wünsche Euch noch viel Spass beim Stöbern auf den nächsten Stoffmarkt und schöne Stunden beim Bummeln.
♥ liche Grüße und einen schönen Tag
Angelika
Hallo Dieter, um den Stoffmarkt in euerer Nähe beneide ich euch.
AntwortenLöschenErst die Tage, beim Gespräch mit meiner Freundin, erinnerten wir uns an Stoffgeschäfte sowie Kurzwarenläden, wo man wirklich die ausgefallensten Nähutensilien bekam....die sind inzwischen alle verschwunden.
So einen Markt in unserer Nähe würde ich gerne aufsuchen, aber ich hab davon noch nie was gehört.
Ich finds gut, dass dich der Markt auch interessiert ...naja, es gab ja dann auch eine Belohnung....feines Bier!
Herzliche Grüße von Zaunwinde
Hallo Dieter,
AntwortenLöschenEin schöner Bericht, ich konnte es mir lebhaft vorstellen. Schade, dass wir so weit von der holländischen Grenze weg wohnen, ich glaub, ich wäre auch gern mal mitgekommen.
Sei nicht böse, ich habe wenig Zeit, bin abends meist zu kaputt zum lesen, aber im Winter, denke ich, werde ich wieder öfters im Blog sein.
Dir und Deiner Familie liebe Grüß, Ulrike
Was, ihr wart schon wieder auf diesem Stoffmarkt? Ich kann es aber verstehen, denn das Stöbern dort macht bestimmt wahnsinnig viel Spaß.
AntwortenLöschenWir wohnen zu weit weg, das könnte man höchstens mal mit einem Ausflug dorthin verbinden, wenn man länger in dieser Ecke wäre.
Eine Belohnung am Ende muss immer sein. :-)
Liebe Grüße
Christa
also wenn ich irgendwo Stoffmarkt lese denke ich gleich an euch.
AntwortenLöschenwenn ich deine Beschreibung lese bekomme ich Lust auf Stoff kaufen :-))
lieber Gruß von Heidi-Trollspecht
Mein Mann würde wahrscheinlich nicht so lange durchhalten, wie du es getan hast, von daher ein ganz klares "Daumen-hoch", finde ich toll!!!
AntwortenLöschenHallöchen Dieter,
AntwortenLöschenich glaube, du bist ein Stoffel hahahaha Immer wieder auf dem Stoffmarkt hahahahaha
Du hattest vor ein paar Wochen mal gefragt, ob von uns jmd weiss, wie das mit dem Einbetten und Verlinken von YT-Videos ist, weil dein Sohn dir damals einen Hinweis gegeben hatte. Ich glaube, jetzt habe ich es herausbekommen. Schau mal hier:
http://www.unbelievable-pain.com/2012/10/die-abmahnwelle-hat-begonnen.html
und
http://www.unbelievable-pain.com/2012/09/jetzt-ist-es-passiert-ich-wurde.html
Also scheinbar ist alles nicht richtig, einbetten sowie verlinken. Sowas Bescheuertes!!!
Schönes Wochenende, Wieczorama (◔‿◔) | Mein Fotoblog
Lieber Dieter,
AntwortenLöschenich find's schön, dass du dich nicht vor Stoffmärkten scheust - stimmt ja wirklich, Märkte sind schön anzuschauen, ein tolles Erlebnis, und je bunter, desto besser! Was du da über deinen Ausflug erzählst, findet bei uns in Österreich auch statt, da geht es dann zum Einkaufen nach Tschechien oder Ungarn. Und die Ungarn und Tschechen kommen zu uns... hmmm...
Käse: Ich liiiiiiebe reifen Gouda. Und der schmeckt nirgendwo so gut wie in Holland, finde ich.
Schönes Wochenende und liebe Rostrosengrüße, Traude
wow,was ne tolle beschreibung des Stoffmärkes!!!
AntwortenLöschenIch gehe auch gerne hin,es macht spass das ganze geschreihe zu höhren,also hier .
Ich wünsche euch ein lustiges Wochenende mit viel spass
liebe grüsse
Christa
Das hast du wunderschön beschrieben, lieber Dieter. Es liest sich absolut fantastisch. Übrigens in Euskirchen findet auch immer ein Stoffmarkt statt und die Preise sind ähnlich.
AntwortenLöschenLG Arti
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AntwortenLöschenjetzt wollte ich doch tatsächlich das gleiche nochmal schreiben *gg*
Löschen*lach* wir hatten Venlo letzten Montag zwar nicht für uns allein, aber viel los war auch nicht ... es regnete nämlich und das hatte es in Deutschland auch schon, sodass alle wohl lieber den Tag zu Hause verbringen wollten ... außer uns ;-)
AntwortenLöschenZuerst ein Bummel durch Venlo (kannte ich noch nicht) mit gelegentlichen Geschäftsbesuchen, danach Fritten spezial und zum Abschluss zu den 2 Brüdern, wo auch wir mit 2 vollen Tüten rausgingen. Allerdings waren es bei uns Vla und Frittensoße ;-)