Der Wetterbericht hatte Recht behalten. In Freiburg, in der
Südwest-Ecke Deutschlands, hielt sich die noch die mollige Wärme des
Altweibersommers. In Nordbaden, ab Baden-Baden, verschwand der Himmel hinter
einem Vorhang von Wolken. Ab dem Autobahndreieck Bingen, auf der A61, marschierte
der Regen auf. Als ich an der Autobahnraststätte Hunsrück ausstieg, fror ich mir
mit meinem losen T-Shirt einen ab. Ein Kaffee sollte meine Lebensgeister wieder
erwecken.
Die restlichen 130 Autobahnkilometer warteten auf mich.
Gegen halb acht war es draußen zappenduster geworden. Ich ergab mich den Launen
des Herbstes, die 20-minütige Kaffeepause erklärte ich für beendet, draußen
tauchte ich in dieses feinmaschige Netz von Regen ein, das wie eine Krake um
mich griff.
Nach hinten schauen, das Auto aus der Parklücke heraus
zirkeln, unbeholfen wie ein Fahranfänger kam ich mir vor, als die hohen
Laternen ihr grelles Licht auf den Parkplatz schmissen. Der Widerschein des
Lichtes riss den Regen auseinander. Ich tastete mich vorwärts. Meine
Unsicherheit hielt an, denn prompt folgte auf der Autobahn eine Baustelle, die sich nach links und
rechts gabelte, und irgendwie war ich froh, dass in der Ferne ein LKW träge vor
sich her kroch. Auf der einspurigen Fahrbahn hätte ich ihn ohnehin nicht
überholen können.
Langsam gewöhnte sich Auge und Fahrgefühl an die regennasse
Fahrbahn. Nach der Abfahrt Rheinböllen endete die Baustelle, drei Fahrspuren
öffneten sich, die Autobahn wand sich den Berg hoch, und als ich den LKW
überholte, kam ich mir vor wie bei einem Schneckenrennen. Dahinter stach ich in
einen schwarzen, undurchsichtigen Raum hinein. Die Scheibenwischer verrichteten
ihre Arbeit und hielten die Sicht frei. Heizung und Gebläse verhinderten, dass
die Scheiben beschlugen. Zielführend folgte ich dem nassen Band der Autobahn.
Wälder bemerkte ich erst, wenn sie dicht an die Fahrbahn rückten. Fast alles
verschluckte der Regen und die Nacht.
Spät abends hatte sich auf den einsamen Höhen des Hunsrück
der Autoverkehr gelichtet. Ich orientierte mich an den breiten Rücklichtern,
die zu einem Geländewagen gehören mussten. In weiter Entfernung verkehrten sie
vor mir, verschwanden in Kurven und tauchten in Höhenlagen wieder auf. 120 km/h.
Die Geschwindigkeit passte. Trotz des Regens lag unser Auto wie ein Brett auf
der Fahrbahn. Zwischen Waldstücken spinsten ab und zu die roten Signalleuchten von Windrädern herunter.
SWR1 begleitete mich im Autoradio. Weitwinkel, diese Sendung
lief nach den 20 Uhr-Nachrichten. Montenegro, Petra Waldvogel führte durch
dieses nicht so weit entfernte und dennoch vollkommen unbekannte Land auf dem
Balkan. Sie interviewte einen Journalisten, der wiederum mit einem
montenegrinischen Journalisten dieses Land bereist hatte. Halsbrecherisch seien
die Nebenstraßen gewesen, halsbrecherisch waren die Überholmanöver, und des
öfteren hatte der deutsche Journalist im Auto des Montenegriners gebetet, heil
am Ziel anzukommen.
Da kam ich mir geradezu erlöst vor, entspannt auf der A61
daher zu brausen. Der Regen plätscherte ununterbrochen. Seitdem ich hinter
Darmstadt ausgebildet worden war und seitdem wir mindestens einmal jährlich mit
den Kindern das Legoland in Günzburg besucht hatten, kannte ich die A61
regelrecht im Schlaf. Laudert, Emmelshausen, Boppard, Koblenz-Waldesch, die
Nacht näherte sich meiner Heimat. Die Kilometerangaben auf den blauen Autobahnschildern
zählte ich herunter wie in einem Countdown. Als ich dir Moselbrücke passierte,
blitzten im Talkessel jede Menge Lichter auf. Das war ein kurzes Zwischenspiel,
denn danach sauste ich wieder in dieses schwarze, undurchsichtige Gebilde
hinein, welches den Himmel versacken ließ. Der Regen wechselte von der
feingliedrigen, versponnenen Variante auf einzelne Tropfen, die satt und
entschlossen auf die Windschutzscheibe klatschten.
Polch, Kruft, Mendig, Wehr. Als sich die Autobahn über den
Talkessel von Maria Laach hinweg bewegt hatte, verlor der Regen an Kraft. Das
sah nach der Trennlinie des Regengebietes aus. Die Fahrbahn hellte sich auf,
der Regen war abgetrocknet. Ich war froh, nicht mehr mit einem Höchstmaß an
Konzentration fahren zu müssen.
Die Kilometer rannen dahin. Etwas mehr wie eine halbe Stunde
später war ich zu Hause.
"die Nacht näherte sich meiner Heimat"-eine besondere Formulierung. Das gefällt mir sehr und ich kenne dieses Gefühl sehr gut, wenn man durch die regennasse Nacht gen Heimat fährt. Prima eingefangen.
AntwortenLöschenHerbstliche Grüße, Jo
Hej Dieter,
AntwortenLöschenLEGOLAND bei Günzburg, etwa 50km von dem Ort entfernt, wo ich 28 Jahre meines Lebens verbracht habe. Anscheinend fühle ich mich noch sehr verbunden.
Ich lese Deine Reisebeschreiben sehr, sehr gerne!
Schönen Abend
Beate
Ich hasse es Nachts im Regen unterwegs zu sein, aber Du hast es hier so beschrieben, dass man es fast wieder schön finden müsste :-)
AntwortenLöschenVG
Micha
Hallo Dieter
AntwortenLöschenIch mag es garnicht im Dunkeln und dazu noch bei Regen Auto zu fahren.
Deine Fahrt hast Du sehr schön beschrieben und nach der anstrengenden Regenfahrt endlich trockende Strassen und Dein zu Hause in Sicht.
Wünsche Dir einen gemütlichen Abend
liebe Grüße
Angelika
Lieber Dieter,
AntwortenLöschenbeim lesen habe ich fast neben Dir gesessen und war mit angespannt. Puh... auch wenn ich ganz gerne Auto fahre, im dunklen Regen hört der Spaß auf. Mag ich gar nicht!
Du hast das sehr anschaulich beschrieben!
Liebe Grüße von
Britta
P.S. Das versprochene Buch ist noch mit meiner Freundin in Italien, sollte aber nächste Woche heimkehren. Dann bekommst Du es weitgereist! :)
Jeder der schonmal in so einem heftigen Regen Auto fahren musste, kann sich durch deine Beschreibung sofort daran erinnern. Sehr ausdrucksstark in Worte gefasst hatte man wirklich das Gefühl man würde mitfahren.
AntwortenLöschenIch fand immer es gibt nix Schlimmeres als solchen Situationen ausgesetzt sein zu müssen. So wird eine kurze Strecke zum ewig langen Bandwurm.
Bezüglich Regen und Auto fahren ist es hier besonders schlimm....da kann es auch nur leicht regnen, man kann wetten dass mindestens ein Unfall auf einer kurzen Strecke zu sehen ist. Die Einheimischen fahren dann soooo langsam und unsicher, ein Wahnsinn.
Liebe Grüssle
Nova
Bin gerade jetzt live mit dir gefahren und konnte deine Anstrengung der Konzentration gut nachempfinden.
AntwortenLöschenIch fahre auch nicht gerne bei Regen und Dunkelheit weitere Strecken. Früher hat mir das nichts ausgemacht, aber heute ist es mir einfach zu anstrengend.
Liebe Grüße
Christa
Hallo Dieter
AntwortenLöschenich fahre sehr gerne bei Regen.Wie ich lese bist Du ein guter Autofahrer-)))
danke auch für dein lieben kommi
und wünsche einen schönen abend
lieben gruss
Christa
Uiiih, ich kann das sehr gut nachvollziehen Dieter ! Solche Fahrten sind auch für mich ein Graus.
AntwortenLöschenIch sehe abends sowieso nicht so dolle und wenn es dazu noch regnet ...
Die meisten Autolichter empfinde ich dann als extrem grell und bin richtig geblendet vom Gegenverkehr. Nicht gerade eine Mischung, die zum sicheren Fahren beiträgt und auch ich bin eigentlich eine sehr sichere Fahrerin (bestätigt durch den Göttergatten, der tourmäßig schläft, wenn ich fahre und die Fahrt länger dauert), die gerne Auto fährt. Böse Stimmen würden jetzt behaupten, er schläft, damit er meinen Fahrstil nicht ertragen muss ;-)
Die A3 aus Süden kommend empfinde ich dabei bei Regen und Dunkelheit als noch viel schlimmer als die 61 *augenroll*
Spannende Schilderung, man fiebert regelrecht mit. Ich hatte mal eine ähnliche Fahrt in meinem ersten Jugendauto zu verrichten, und da ist natürlich genau als der Regen einsetze und die Nacht anbrach der Scheibenwischer "über den Jordan gegangen". Meine damalige Freundin und ich haben echt Ängste ausgestanden bis wir endlich daheim waren. Seitdem bin ich ein großer Scheibenwischer-Anbeter, habe sogar kürzlich diesen sehr kurzweiligen Bogartikel über seine Geschichte gelesen:
AntwortenLöschenhttp://der-mann-und-sein-auto.de/der-scheibenwischer-und-seine-bewegte-vergangenheit/ . Was ich allerdings sehr gerne mag, ist bei Regen der Beifahrer sein - allerdings nur wenn ich dem Fahrer vertrauen kann.
LG, Bernhard