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Donnerstag, 3. Mai 2012

Maibaum


Die Autofahrt zum Baumarkt wurde zur Entspannung. Gemächlich schlängelte sich das Auto in Kurven durch die Felder und kroch mit einer Langsamkeit, die den Augenblick auskostete, an der festen Radarstation vorbei. Ich hatte den richtigen Zeitpunkt erwischt, denn kurz vor Ladenschluss ließ mich die Eingangstüre des Baumarktes noch hinein.

Nachdem ich das Rankgitter für unseren Garten eingekauft hatte, bummelte ich auf den Parkplatz, wo sich das schräge Sonnenlicht verirrte. Am letzten Apriltag wärmte die Sonne, und in meinem losen Hemd war mir kein bisschen kalt. Mit all den Menschen, die aus dem Baumarkt hinaus trieben, die stehen blieben und miteinander diskutieren, kam mir die nach draußen verlagerte Stimmung schon südländisch vor.

Durch die Felder nach Hause zurück. Die Felder waren platt, gezeichnet von fetten Reifenspuren von Traktoren, die glatte Erde spannte sich gefügig über eine langgezogene Fläche.

Verkehrsberuhigt, passierte ich im nächsten Ort im Slalom die Verkehrsinseln. Aus Holzscheiten hatte man vor einem Haus ein Feuer angezündet. Das gehörte eindeutig zum 1. Mai, denn stolz zeigte sich der Maibaum vor dem Haus. Mit Kölschstangen in der Hand, bewunderten ein Dutzend junger Männer und Frauen das schöne Arbeitsergebnis und sie stießen gemeinsam an.

An den 1. Mai schleppe ich ein Bündel von Erinnerungen mit mir herum. Auf einem Dorf am Niederrhein aufgewachsen, gab es dort genauso die Tradition des Maibaum-Setzens. Aber anders wie hier in der Köln-Bonner Gegend: Maibäume wurden innerhalb der Nachbarschaften aufgestellt, in sieben Nachbarschaften jede Nachbarschaft für sich. So gut die Nachbarschaften für den Rest des Jahres harmonierten, so spinnefeind waren sie sich am 1. Mai. Es war eine Gräueltat – die schon mal vorkam – dass man einer feindlichen Nachbarschaft den Maibaum einfach absägte. Nachdem dies an irgendeinem historischen Datum geschehen war, wurde konsequent Wache vor dem Maibaum gehalten. Ein Großteil der Nachbarschaft versammelte sich um den Maibaum. Ein Feuer wurde angezündet, und da die Nachbarschaft Durst hatte, organisierte man eine ausreichende Menge von Kästen Bier. Die ganze Nacht über loderte das Feuer, man plauderte über das Dorfleben, riss Witze, nahm das eine oder andere Dorf-Original aufs Korn, und bisweilen stolperte man auf dem Weg zum Maibaum auch über eine Bierleiche. Als ich bei der Bundeswehr war, wurde ich so müde, dass ich meinen Schlafsack von zu Hause holte und mich unter den Maibaum schlafen legte.

Wo wir nun wohnen, ist die Tradition etwas anders. Birken, die mit Krepppapier und Bändern geschmückt werden, werden aus den Wäldern des Siebengebirges oder des Kottenforstes herbei geschafft. „Verkauf von Maibäumen“ offerieren Schilder am Straßenrand. Kostenlose Anlieferung inbegriffen inklusive der dazugehörigen Telefonnummer.

Als wir hierhin gezogen waren, stellten wir fest, dass das andersartige vor allem Lautstärke bedeutete. Hier trat man einheitlich auf – ein Maibaum fürs ganze Dorf und keine sieben Nachbarschaften. Auf dem Markplatz ging mit dem Aufstellen des Maibaums die große Feier los. Einheitlichkeit – das betraf auch das Maibaum-Setzen für die angebeteten Mädchen oder Frauen. Auf Transportern oder Anhängern wurden die Maibäume allesamt quer durchs Dorf kutschiert – und dabei wurde es laut. Aus Riesen-Lautsprechern dröhnte die Musik, so laut, dass man sie von einem Dorfende bis zum anderen hören konnte. Hardrock-Gruppen wie AC/DC oder die Scorpions hätten Mühe gehabt, mit diesem Lautstärke-Pegel mitzuhalten. Wenn die Maibäume bei der Liebsten aufgestellt waren, ging die Feier auf dem Marktplatz genauso feucht und fröhlich weiter.

Ich war neugierig und fuhr ins Dorf. Ab der Raiffeisenbank war kein Durchkommen mehr. In Gruppen, Grüppchen oder alleine strömten die Menschen zum Marktplatz. Soweit ich weiß, werden auf dem Marktplatz auch Mädchen bzw. Frauen versteigert und eine Maikönigin wird gekrönt. Anschließend wird in dem Festsaal getanzt, der um die Ecke liegt.

Gesetzter und etwas älter geworden, gefällt mir grundsätzlich diese Tradition, aber ich musste nicht mitten im Menschengewimmel dabei sein. Ich drehte ab nach Hause. In einer südländischen Stimmung sollten alle schön feiern und ihren Spaß haben. Und in den nächsten Tagen wollte ich die Maibäume vor den Häusern der Angebeteten begutachten.

3 Kommentare:

  1. Obwohl das ja fast nebenan ist, gibt es hier überhaupt gar keine Maibäume. Ja, den Tanz in den Mai am 30.4. und ein riesiges Grillfest am 1. Mai auf der Grillwiese am See (über 1000 Leute ...). Aber die Birkengeschichte und angebetete Mädels usw., nix.
    War das in diesem Jahr nicht anders? Wegen Schaltjahr mussten diesmal die Mädels den angebeteten Jungs die Bäume vor die Tür stellen. Oder ist das ein Scherz gewesen? Ich kenne mich da mal so gar nicht aus.

    Grüße! N.

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  2. Langsam geht die Jugend dazu über keinen Baum mehr zu setzen, sondern ein Seidenblumenherz mit den Initialen ans Fenster zu hängen. Die Herzen haben nämlich den Vorteil, dass sie kaum gemopst werden, da ja die Buchstaben seltenst übereinstimmen und sie verursachen keine Schäden an Dachrinnen, da sie viel leichter als ein Baum sind, und bei Regen färben die Blumen nicht aus, wie die Kreppbänder, die schon so manche helle Fassade ruiniert haben.
    Aber in den Dörfern wird entweder vom Junggesellenverein oder der Jugendfeuerwehr immer noch ein großer Baum aufgestellt und bis zum Morgengrauen gut bewacht, damit ihn die Jungs vom Nachbardorf nicht absägen :)

    @ Nelja, stimmt, dieses Jahr durften auch die Mädels mal aktiv werden, war kein Scherz.


    Liebe Grüße Arti

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  3. Ich schrieb es schon im post darüber, diese Tradition ist bei uns kaum mehr verbreitet. Auf den Dörfern findet etwas Ähnliches statt, wenn Kirmes gefeiert wird.
    Da wird der "Kerbbaum", wie das in unserem Dialekt heißt, aufgestellt und wird von den Kerbburschen geschmückt. Inzwischen beteiigen sich daran aber auch die Mädels. Auch dieser Baum wird mit Krepppapierstreifen und bunten Herzen geschmückt. Es wechseln sich die Vereine des Dorfes mit dem Schmücken ab, je nachdem, welcher die Kerb sozusagen ausrichtet.
    Viele Traditionen gehen doch inzwischen verloren, eigentlich schade!

    LG Christa

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