Unser Treffpunkt war – bei näherer Betrachtung – schlecht
ausgesucht. Am Schloss Augustusburg in Brühl angekommen, stellte ich fest, dass
die Anlage riesig war – nicht umsonst zählte sie zum Weltkulturerbe der UNESCO.
An der einen Seite war der Haupteingang, wo sich Grüppchen zusammenfanden, um
an einer Führung teilzunehmen. Leer und auf wochenendlichen Besucherandrang
vorbereitet, dösten die Parkplätze an der Front des Schlosses vor sich hin. An
der Rückseite des Schlosses ging es feierlich zu – das Schloss war Kulisse für
eine Hochzeit und Braut und Bräutigam ließen sich vor einem Torbogen
fotografieren. Im Schlossgarten hinter dem Schloss konnte man sich verlaufen –
wenn ich alle Ecken dieser Gartenbaukunst hätte erkunden wollen. Dies war also
unser Treffpunkt. Haupteingang ? Auf den Parkplätzen ? An der Rückseite ? Im
Schlossgarten ?
Es war eine Première in diesem Jahr. Nicht alleine mit dem
Rennrad unterwegs, sondern zu zweit. Mein Fahrradkumpel arbeitete in Köln, und
von der Arbeit aus kommend, hatten wir uns in der Mitte in Brühl verabredet. Da
er sich kein bisschen in Brühl auskannte, hatte ich einen möglichst
idiotensicheren Treffpunkt benannt, der weitläufig ausgeschildert war: Schloss
Augustusburg.
Eine zeitlang musste ich warten, dann kam er über die
Parkplätze heran geradelt. Zuerst erblickte ich sein flammneues
STEVENS-Rennrad, dessen weißer Rahmen noch unbefleckt und ohne nennenswerte
Gebrauchsspuren war. Ihn erkannte ich sofort wieder, trotz Helm und getönter
Fahrradbrille. Nachdem wir uns begrüßt hatten, steckten wir unsere Strecke ab:
Richtung B265, Erftstadt, Zülpich, Nideggen, Rurtal, am Bahnhof in Düren
sollten sich unsere Wege trennen – er in Richtung Aachen und ich in Richtung Köln.
Gleich an den ersten Hügeln, die sich am Stadtrand von Brühl
formierten, sollte ich zu spüren bekommen, dass mein Fahrradkumpel die Lunge
eines Marathonläufers hatte. Bis vor zwei Jahren war er regelmäßig Marathon
gelaufen, dann hatten sich seine Knie beschwert und er war aufs Rennradfahren
umgestiegen. Ungebremst, ohne nennenswert zu verlangsamen, schob sich sein
STEVENS-Rennrad den Berg hoch. Ich war nicht so geübt, und ich musste mich ein
Stück abquälen, um ihn wieder einzuholen, bis wir gemeinsam weiterfuhren.
Die B265, die schnurgerade auf Erftstadt zustrebte, sollte
voller Überraschungen stecken. Zuerst bemerkte ich nur zaghaft, wie mein
Hinterrad den Boden berührte. Doch mit jeder Unebenheit – wovon der buckelige Radweg
unter hervorquellenden Wurzeln reichlich zu bieten hatte – folgten Stöße auf
die Felge, die intensiver wurden: mein Hinterrad war platt. Wir beide hatten
keine Reserveschlauch mitgenommen – ich aus Geiz, weil ich nicht ausreichend
Geld mithatte, wenn ich am Fahrradladen vorbeikam, und er aus Vergesslichkeit,
denn er hatte seinen Reserveschlauch zu Hause liegen gelassen. Aufpumpen,
weiterradeln, eine kurze Hoffnung, dass das Ventil nicht richtig zugedreht war,
doch in Erftstadt-Lechenich war mein Hinterrad in Windeseile wieder platt.
Bike-Reiter, größter Fahrradmarkt im Rhein-Erft-Kreis, den Weg dorthin hatten
uns Ortsansässige erklärt.
Dort sollten wir einzigartiges erleben – ein negativer
Höhepunkt in Sachen Kundenfreundlichkeit. Nachdem ich den ersehnten
Fahrradschlauch gekauft hatte, machte ich mich sofort ans Werk. Fahrrad
umdrehen, Radschrauben lösen, Hinterrad abnehmen, kaum eine Minute dauerte es,
dass ein Mitarbeiter von Bike-Reiter mein Treiben begutachtete und mich bat,
das Gelände zu verlassen. Anschließend verschwand der Miterbeiter wieder. Ich
glaubte, mich verhört zu haben, legte mein Werkzeug zurecht und werkelte weiter
an meinem Hinterrad herum. Einige Minuten später, kreuzte dasselbe Gesicht
wieder auf und wies mich mit ernster Miene darauf hin, dass mein Rennrad
entweder in der hauseigenen Werkstatt repariert werden sollte oder außerhalb
des Firmengeländes. Murrend schleppte ich meine ganze Ausrüstung zu einer
gegenüberliegenden Reifenwerkstatt, wo ich unbehelligt meine Reparatur beenden
konnte.
Ich habe daher eine Bitte an alle Blog-Leser: bitte Bike-Reiter
in Erftstadt-Lechenich weiträumig meiden und alles, was mit Fahrrädern zu tun
hat, irgendwo anders einkaufen !!!
Durch den platten Hinterreifen war wertvolle Zeit
verstrichen, und endlich konnten wir unsere Radtour auf der B265 in Richtung
Zülpich fortsetzen. Flach, wie auf einem Brett glitten die Felder daher. Das
Getreide in der Zülpicher Börde entwickelte sich prächtig. Das gelbe Farbenmeer
des Rapses war hier noch präsent: nicht verblüht, wie bei uns, schillerte das
Gelb intensiv, es beugte sich im Wind, die Blüten funkelten wie tausend kleine
Kristalle. Die Hänge in der Ferne kündeten die Eifel an. Mit einem Tempo – so ambitioniert
wie bei „Rund um Köln“ – bretterten wir auf Zülpich zu.
Wir beschlossen, in Zülpich eine Pause einzulegen. Wir
passierten ein Stadttor, das Stadtzentrum verlief sich in Einbahnstraßen und
Abbiegungen und Verzweigungen, in denen wir mangels Beschilderung die
Orientierung verloren. Meine Eindrücke von Zülpich, die in mir haften geblieben
waren, bestätigten sich – eine inhomogene Fußgängerzone, Ladenlokale
allenthalben, gemütliche Ecken waren Mangelware. Die historische Seite von
Zülpich sollten wir erst beim Verlassen entdecken: einmal komplett um das
Zentrum herum gekurvt, schloss die Stadtmauer in einer beeindruckenden Gänze
das Zentrum ab. Dicht neben der Straße, erinnerte ein meterlanges Stück
Abwasserkanal an die Römerstadt Zülpich, die einst "tolbiacum" geheißen hatte.
Zuvor hatten wir auf dem viereckigen Marktplatz, der dem
Rathaus aus den roten Ziegelsteinen, dem Rathausturm und dem Arkadengang zugewandt
war, unsere wohlverdiente Pause gemacht. Als wir auf die Uhr schauten, stellten
wir fest, dass wir auf direktem Wege – ohne Nideggen und das Rurtal – nach Düren
fahren mussten, um unseren Zug zu erreichen. Auch auf dem Markplatz waren wir
der Geschichte Zülpichs begegnet – die Figur auf dem Marktbrunnen symbolisierte
den fränkischen König Chlodwig, der im Jahr 496 die Schlacht von Zülpich gewann
und mit seiner Taufe dem Rheinland das Christentum brachte.
Füssenich, Geich, Vettweiß, Jakobwüllesheim, fernab der
Hauptstraßen führte uns ein ausgeschildertes Radwegnetz nach Düren. So wenig
Autoverkehr, so viel Natur, der Blick über die Felder eröffnete immer neue
Horizonte. In den Dörfern kamen wir uns teilweise vor wie am Ende der Welt,
kaum Autos auf den Straßen, Gemäuer aus Schiefer in zarten Grautönen, ein Tante-Emma-Läden
im Ortskern, in der einzigen Kneipe gegenüber der Kirche war kein Mensch.
Eine halbe Stunde Zeit verblieb uns am Bahnhof Düren, um
miteinander zu plaudern und die 80 km lange Strecke Revue passieren zu lassen. Ein Jahr lang hatten wir uns nicht gesehen. Familienleben,
Kinder, Job, Urlaub, Freizeit, Rennradfahren, Tourenplanung und vieles mehr. Das
war schön zu zweit. Wollen wir wiederholen.
Da habt ihr eine schöne Runde gemacht.
AntwortenLöschen:D Ich habe Brühl noch NIE ohne Brautpaarfotoaktion erlebt.
Grüße! N.
Es gibt bestimmte Orte, meistens eben, wenn solch großartige Gebäude wie Schlösser oder Burgen vorhanden sind, die man sehr selten ohne Brautpaar sieht. *g*
AntwortenLöschenIst ja auch schön, in einem Schloss zu heiraten oder?
Das war wieder eine tolle Tour, die du gemacht hast, Dieter und besonders wertvoll, da du einen lieben Freund, den du lange Zeit nicht gesehen hattest, mal wieder treffen konntest.
Vielen Dank für all deine Tipps und guten Erklärungen. :-)
LG Christa
Eine schöne Runde seid ihr da gefahren hab mal bei Google Maps nachgesehen nix für mich. Mache nur kleinere Radtouren am der Saale für neue Fotos.
AntwortenLöschenGruß
Noke
Da werden bei mir gleich Erinnerungen wach an eine Radtour mit meiner Freundin Brigitte durch Nordholland. Klingt nach einer interessanten Tour - und hat ofenbar trotz des platten Reifens Spaß gemacht.
AntwortenLöschenჱܓჱܓჱܓჱܓჱܓჱܓ ჱܓჱܓჱܓჱܓჱܓჱܓ
Alles Liebe, Traude
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Hallo Dieter,
AntwortenLöschendas nenne ich mal eine Radtour und das mit kleinen Hinternissen. Durch Deinen Bericht kann man es wirklich gut nachempfinden und ich werde nun nocheinmal auf die Karte schauen, inwieweit ich so eine Tour mit Freunden machen kann. Vielen Dank für den interessanten Bericht.
Einen lieben Gruß von Senna
Hallo Dieter,
AntwortenLöschenHabe mit schmunzheln deinen Bericht gelesen. Bis auf den kundenunfreundlichen Fahradladen habt ihr eine tolle Tour hingelegt. In jüngeren Jahren war ich auch immer am Wochendende in dieser Region mit dem Rad unterwegs. Kenne mich da gut aus :)
Vielen Dank übrigens für deinen Besuch auf meinem Blog.
Ich lese mich später noch mal bei dir durch ...
Gruß aus Köln
Hans
ich bin ja nicht gerade eine Sportskanone ;-) aber deine Rennradberichte lesen sich immer wieder interessant!
AntwortenLöschenlieber Gruß von Heidi-Trollspecht
Danke für den TIP Dieter: Geiz ist nicht geil – macht nur blöd.... wie man sieht
AntwortenLöschenDummheit wird im Radsport halt bestraft. Selten so gut gelacht, ohne Ersatzschlauch und Geld loszufahren…lol
Super bekloppter Blog zum Totlachen – weiter so…..
Falls ich gelegentlich durch Erftstadt Lechenich mit dem Rad komme, werde ich den Laden auf jeden Fall meiden und meinen Laden in Euskirchen bevorzugen. Im Schloss Brühl war ich auch schon ewig nicht mehr, erinnere mich aber an ein superschönes Treppenhaus. Werde im Sommer mal wieder dort vorbeisehenGuter Tipp!
AntwortenLöschenLG Arti