Normalerweise wäre ich vorbei getrottet. Etwas Restschlaf mit
mir herum schleppend, schritt ich staksig durch die Seitenstraße. Zur
morgendlichen Uhrzeit versteckten sich Taschenbücher in den
Schaufensterauslagen. Im nächsten Ladenlokal warten Schuhe unschlüssig auf die
Ladenöffnung. Ein Ladenlokal weiter, sortierten sich Kleinteile von
Computerzubehör sorgfältig in ihren Regalreihen.
Ich erkannte ihn erst beim
zweiten Mal. Das Plakat, auf dem sein Gesicht mit seinem typischen Afrolook
zu sehen war, neigte sich dem Boden zu. In einem Kleinformat, das beinahe in
jeden Winkel hineingepasst hätte, war das Plakat hastig auf die Häuserwand
geklatscht. Neben einem Regenfallrohr, dessen Farbe abgeblättert war, hatte es
die Nähe zu Verfall und Vergangenheit gesucht.
„Übertragung des Champions League Finales FC Bayern München
gegen FC Chelsea London“ kündigte die kleingehaltene Schrift das große Ereignis
an, darüber das Gesicht von Paul Breitner mit sachlich-nüchterner Miene. Mit
seiner buschigen Haarmähne erinnerte er an die 68er-Generation, sein kantiger
Backenbart passte sich an seine Mundform an, eine wilde und glanzvolle Zeit
beschwor er wieder herauf.
Paul Breitner, da stiegen ein Reihe von Erinnerungen hoch.
Mit seiner Art, seine Meinung zu sagen, anzuecken, sich unbeliebt zu machen,
war er nachdrücklich in meinem Gedächtnis haften geblieben. Damals galt er als
Rebell, weil er sich nicht in das gängige Muster der Top-Fußball-Profis
einordnen ließ: zugehörig zur deutschen Nationalmannschaft, die 1974 den
WM-Titel holte, kehrte er danach dem FC Bayern München den Rücken, „weil man in
diesem Scheiß-Verein nicht richtig feiern konnte“.
„Ich kann eins nicht: mein Maul halten und Diplomat sein.“ sagte
er einst. Breitner schwamm nie mit dem Strom, er redete Klartext, er sagte, was
ihm nicht passte. Die Mao-Bibel war sein Grundwerk, aus dem er seine Schlüsse
zog.
Mit Paul Breitner und dem FC Bayern München kamen weitere
Erinnerungen hoch. 1974 hatten wir zu Hause nicht nur während der
Fußball-Weltmeisterschaft gefiebert, sondern auch während des
Europapokal-Finales, das zwischen dem FC Bayern München und Atletico Madrid
stattfand. Das erste Spiel endete 1:1, wobei Georg Schwarzenbeck erst in der
vorletzten Minute der Verlängerung den Ausgleich schoß. Damals wurde das Spiel
nicht durch Elfmeterschießen entschieden, sondern durch ein Wiederholungsspiel.
In diesem Wiederholungsspiel überrollten die Münchener regelrecht die
Madrilenen und gewannen mit 4:0. Die Mannschaft des FC Bayern München war
gespickt mit Fußballern, die zu Legende wurden – Franz
Beckenbauer, Sepp Maier, Gerd Müller, Uli Hoeness, Georg Schwarzenbeck und –
Paul Breitner.
So viel Jubel und Freude, Leiden und Trauer, so viele
überschwängliche Emotionen durch den Fußball erzeugt werden, so sehr wird bei
uns in der Familie der Fußball auf Sparflamme gekocht, weil ich als einziger
Fußball-Narr alleine dastehe.
Und das finde ich auch gut so. Der FC Bayern München ist bei
uns Rheinland sowieso verpönt. Als Geldmaschinerie, die sich die besten
Fußballspieler in der Republik zusammenkauft. Fans des FC Bayern München erscheinen bei uns im Rheinland so selten wie Schneeflocken im Hochsommer.
„Panis et circensis“ – Brot und Spiele – sehe ich als
Leitmotiv hinter dem Fußball: der Masse ein Spektakel zu bieten, das für Ablenkung
sorgt, wobei die brennenden, wichtigen Themen beiseite geschoben werden.
Fußball – das ist der Rausch für einen Moment. Wie bei einem Kater nach
übermäßigem Alkoholgenuss, wird man danach wieder in die Wirklichkeit zurück
geschmissen.
Auf dem Plakat umgaben magische Jahreszahlen das Gesicht von
Paul Breitner. 1974, 1975, 1976 und 2001, in diesen großen Jahren hatte der FC
Bayern München die Champions League oder den Europapokal gewonnen. Kein
Zweifel, der FC Bayern München ist ein großer Verein auf der europäischen
Bühne, der es in diesem Jahr sehr weit geschafft hat. Heiß, zu Hause am
Fernseher, auf Großbildschirmen in Kneipen oder Diskotheken, wird überall dem
Spiel der Spiele – FC Bayern München gegen FC Chelsea London - entgegen
gefiebert.
Drücken wir Samstag Abend ab 20 Uhr dem FC Bayern München
die Daumen !
Immerhin ist Breitner dann wieder zum "Scheissverein" zurückgekehrt....
AntwortenLöschenWas soll ich sagen, Dieter? Ich habe mit sehr großem Interesse deinen Beitrag hier gelesen, wobei du ja schon weißt, dass ich Bayern-Fan bin.
AntwortenLöschenBreitner war schon in der Tat ein Mensch, der sich in unterordnen wollte, was ja auch seine guten Seiten hat.
Dass der Verein halt immer in der Lage war, sich gute Spieler zu kaufen, das hängt wohl aber auch ein wenig mit dem guten Finanz-Management zusammen und das wird man sicher nicht bestreiten können.
Dennoch wird man in den oberen Etagen auch ein wenig umdenken müssen, das hat das letzte DFB-Endspiel gezeigt.
Trotzdem waren es gerade im Jahr 74 eine wunderbare Zeit und bedenkt man, dass damals 6 Bayernspieler der Nationalmannschaft angehörten, so konnten die Bayern doch stolz sein auf ihren Verein.
Sepp Maier ist für mich einer der besten Torhüter, die wir hatten. Vor allen Dingen war er in punkto Humor einfach unschlagbar. Was hat er damals in Frankfurt während der Wasserschlacht gehalten, einfach unsagbar.
Ist aber wirklich nett von dir, dass auch du nun kommenden Samstag dem FC Bayern die Daumen drückst. Ich werde es auf jeden Fall auch tun und hoffe, sie werden die Lethargie aus dem letzten Spiel gegen Dortmund abgelegt haben.
Ja, stimmt, Breitner kehrt dann wieder zu den Bayern zurück.
Liebe Grüße und morgen dir einen schönen Feiertag
Christa
ich werde Samstag Abend auch vor dem Fernseher sitzen und Den Bayern die Daumen drücken :-)
AntwortenLöschenlieber Gruß von Heidi-Trollspecht
Ich werde am Samstag nicht vor dem Fernseher sitzen und Fussball schaun, das ist nicht so mein Fall. Viel Spass beim Daumen drücken.
AntwortenLöschenLg
Barbara