Die
Autofahrt zum Baumarkt wurde zur Entspannung. Gemächlich schlängelte sich das
Auto in Kurven durch die Felder und kroch mit einer Langsamkeit, die den
Augenblick auskostete, an der festen Radarstation vorbei. Ich hatte den
richtigen Zeitpunkt erwischt, denn kurz vor Ladenschluss ließ mich die
Eingangstüre des Baumarktes noch hinein.
Nachdem
ich das Rankgitter für unseren Garten eingekauft hatte, bummelte ich auf den
Parkplatz, wo sich das schräge Sonnenlicht verirrte. Am letzten Apriltag wärmte
die Sonne, und in meinem losen Hemd war mir kein bisschen kalt. Mit all den
Menschen, die aus dem Baumarkt hinaus trieben, die stehen blieben und
miteinander diskutieren, kam mir die nach draußen verlagerte Stimmung schon
südländisch vor.
Durch
die Felder nach Hause zurück. Die Felder waren platt, gezeichnet von fetten
Reifenspuren von Traktoren, die glatte Erde spannte sich gefügig über eine
langgezogene Fläche.
Verkehrsberuhigt,
passierte ich im nächsten Ort im Slalom die Verkehrsinseln. Aus Holzscheiten
hatte man vor einem Haus ein Feuer angezündet. Das gehörte eindeutig zum 1.
Mai, denn stolz zeigte sich der Maibaum vor dem Haus. Mit Kölschstangen in der
Hand, bewunderten ein Dutzend junger Männer und Frauen das schöne
Arbeitsergebnis und sie stießen gemeinsam an.
An
den 1. Mai schleppe ich ein Bündel von Erinnerungen mit mir herum. Auf einem
Dorf am Niederrhein aufgewachsen, gab es dort genauso die Tradition des Maibaum-Setzens.
Aber anders wie hier in der Köln-Bonner Gegend: Maibäume wurden innerhalb der
Nachbarschaften aufgestellt, in sieben Nachbarschaften jede Nachbarschaft für
sich. So gut die Nachbarschaften für den Rest des Jahres harmonierten, so
spinnefeind waren sie sich am 1. Mai. Es war eine Gräueltat – die schon mal
vorkam – dass man einer feindlichen Nachbarschaft den Maibaum einfach absägte. Nachdem
dies an irgendeinem historischen Datum geschehen war, wurde konsequent Wache
vor dem Maibaum gehalten. Ein Großteil der Nachbarschaft versammelte sich um
den Maibaum. Ein Feuer wurde angezündet, und da die Nachbarschaft Durst hatte,
organisierte man eine ausreichende Menge von Kästen Bier. Die ganze Nacht über
loderte das Feuer, man plauderte über das Dorfleben, riss Witze, nahm das eine
oder andere Dorf-Original aufs Korn, und bisweilen stolperte man auf dem Weg
zum Maibaum auch über eine Bierleiche. Als ich bei der Bundeswehr war, wurde
ich so müde, dass ich meinen Schlafsack von zu Hause holte und mich unter den
Maibaum schlafen legte.
Wo
wir nun wohnen, ist die Tradition etwas anders. Birken, die mit Krepppapier und
Bändern geschmückt werden, werden aus den Wäldern des Siebengebirges oder des
Kottenforstes herbei geschafft. „Verkauf von Maibäumen“ offerieren Schilder am
Straßenrand. Kostenlose Anlieferung inbegriffen inklusive der dazugehörigen
Telefonnummer.
Als
wir hierhin gezogen waren, stellten wir fest, dass das andersartige vor allem
Lautstärke bedeutete. Hier trat man einheitlich auf – ein Maibaum fürs ganze
Dorf und keine sieben Nachbarschaften. Auf dem Markplatz ging mit dem
Aufstellen des Maibaums die große Feier los. Einheitlichkeit – das betraf auch das
Maibaum-Setzen für die angebeteten Mädchen oder Frauen. Auf Transportern oder
Anhängern wurden die Maibäume allesamt quer durchs Dorf kutschiert – und dabei wurde es
laut. Aus Riesen-Lautsprechern dröhnte die Musik, so laut, dass man sie von
einem Dorfende bis zum anderen hören konnte. Hardrock-Gruppen wie AC/DC oder
die Scorpions hätten Mühe gehabt, mit diesem Lautstärke-Pegel mitzuhalten. Wenn
die Maibäume bei der Liebsten aufgestellt waren, ging die Feier auf dem
Marktplatz genauso feucht und fröhlich weiter.
Ich
war neugierig und fuhr ins Dorf. Ab der Raiffeisenbank war kein Durchkommen
mehr. In Gruppen, Grüppchen oder alleine strömten die Menschen zum Marktplatz.
Soweit ich weiß, werden auf dem Marktplatz auch Mädchen bzw. Frauen versteigert
und eine Maikönigin wird gekrönt. Anschließend wird in dem Festsaal getanzt,
der um die Ecke liegt.
Gesetzter
und etwas älter geworden, gefällt mir grundsätzlich diese Tradition, aber ich
musste nicht mitten im Menschengewimmel dabei sein. Ich drehte ab nach Hause.
In einer südländischen Stimmung sollten alle schön feiern und ihren Spaß haben.
Und in den nächsten Tagen wollte ich die Maibäume vor den Häusern der
Angebeteten begutachten.
Obwohl das ja fast nebenan ist, gibt es hier überhaupt gar keine Maibäume. Ja, den Tanz in den Mai am 30.4. und ein riesiges Grillfest am 1. Mai auf der Grillwiese am See (über 1000 Leute ...). Aber die Birkengeschichte und angebetete Mädels usw., nix.
AntwortenLöschenWar das in diesem Jahr nicht anders? Wegen Schaltjahr mussten diesmal die Mädels den angebeteten Jungs die Bäume vor die Tür stellen. Oder ist das ein Scherz gewesen? Ich kenne mich da mal so gar nicht aus.
Grüße! N.
Langsam geht die Jugend dazu über keinen Baum mehr zu setzen, sondern ein Seidenblumenherz mit den Initialen ans Fenster zu hängen. Die Herzen haben nämlich den Vorteil, dass sie kaum gemopst werden, da ja die Buchstaben seltenst übereinstimmen und sie verursachen keine Schäden an Dachrinnen, da sie viel leichter als ein Baum sind, und bei Regen färben die Blumen nicht aus, wie die Kreppbänder, die schon so manche helle Fassade ruiniert haben.
AntwortenLöschenAber in den Dörfern wird entweder vom Junggesellenverein oder der Jugendfeuerwehr immer noch ein großer Baum aufgestellt und bis zum Morgengrauen gut bewacht, damit ihn die Jungs vom Nachbardorf nicht absägen :)
@ Nelja, stimmt, dieses Jahr durften auch die Mädels mal aktiv werden, war kein Scherz.
Liebe Grüße Arti
Ich schrieb es schon im post darüber, diese Tradition ist bei uns kaum mehr verbreitet. Auf den Dörfern findet etwas Ähnliches statt, wenn Kirmes gefeiert wird.
AntwortenLöschenDa wird der "Kerbbaum", wie das in unserem Dialekt heißt, aufgestellt und wird von den Kerbburschen geschmückt. Inzwischen beteiigen sich daran aber auch die Mädels. Auch dieser Baum wird mit Krepppapierstreifen und bunten Herzen geschmückt. Es wechseln sich die Vereine des Dorfes mit dem Schmücken ab, je nachdem, welcher die Kerb sozusagen ausrichtet.
Viele Traditionen gehen doch inzwischen verloren, eigentlich schade!
LG Christa