Entfernung: 70 km
Dauer: 4 Stunden (davon 30 Minuten Pause + Fahrt mit der Fähre über den Rhein)
Durchschnittsgeschwindigkeit: 22-23 km/h
Letztes Jahr war es Anfang Mai, als der Frost zugeschlagen
hatte. Bei bis zu zwei Grad unter Null vervielfachte der Wind die Kälte – und
in den folgenden Wochen wurden die winzigen Früchte an den Apfelbäumen weich
wie Gummi, sie färbten sich braun und fielen zu Boden. Zwischen Rheinbach,
Meckenheim und Grafschaft waren etwa 70 Prozent der Obstbauern betroffen.
An ein solches Szenario dachte ich auf meinem Rennrad nicht.
In der Grafschaft genoss ich die Apfelblüte. Auf Wirtschaftswegen fernab der
Hauptstraßen kurvte ich zwischen den Plantagen herum – diese ruhige Fahrt
jenseits jeglichen Autoverkehrs war ein seltenes Erlebnis. Zwischen Rheinbach,
Meckenheim und Grafschaft, hier erstreckte sich nach dem Alten Land und dem
Bodensee ungefähr das drittgrößte Obstanbaugebiet in Deutschland. Nachdem ich
am 17. März dieselbe Tour gefahren war, war nun die Höhe auf der Königsstraße in
ein weißes Blütenmeer eingetaucht. Ungestört, begleitete
mich die Apfelblüte, so weit das Auge reichte. Eine tolle Abfahrt ins Ahrtal
folgte, nachdem der Obstanbau durch Felder abgewechselt worden war..
Ahrweiler: als ich durch das Stadttor schritt, war ich
eingefangen von soviel Harmonie und soviel Fachwerk. Ahrweiler, in dieser
Beschaulichkeit drängelten sich üblicherweise am Wochenende die Touristen. Nun,
am frühen Nachmittag, schlummerten die Touristen-Ströme noch in der Ferne. Fachwerkhaus
kuschelte sich an Fachwerkhaus. Von der Idylle ließ ich mich berieseln. Schön,
dass ich solche aufgehübschten Flecken auf meinen Rennradtouren erleben durfte.
Mit der Leichtigkeit des Seins schob ich mein Rennrad durch die Fußgängerzone.
Wie reizvoll deutsche Kleinstädte sein können, dachte ich vor mich hin. Gerne
hätte ich diese Harmonie an zerrissene Orte transportiert. Gerne würde ich
soviel Harmonie nach Hause schaffen – vierundzwanzig Stunden rund um die Uhr.
Ein Weizenbier. Draußen vor dem Café hockte ich mich in die
Sonne. Auf meinem Plastikstuhl lehnte ich mich zurück, ich streckte meine Beine
aus. Die Weite des Marktplatzes überragte die St. Laurentius-Kirche mit ihrem
weiß gestrichenen Mauerwerk, dessen Mauerkanten zartgelbe Farbtupfer
auflockerten. Von Gelb bis Rot bis Violett schillerte ein Teppich von
Stiefmütterchen, der auf einem Beet vor der Kirche farblich genau dazu passte.
Augenblicklich verschwand die Sonne, ein ruppiger Wind kam auf. Ich zog meine
Beine zusammen und fröstelte. Einige Augenblicke später, als der graue
Wolkenklecks abgezogen war, schien die Sonne weiter. Ich nahm einen langen
Schluck aus meinem Weizenbier. Die Gäste am Nachbartisch kamen eindeutig aus
Belgien. Häppchenweise hörte ich Niederländisch heraus, doch die Sprache war
langgezogen, dumpf, hohl und mit weichen Lauten dazwischen, die untypisch für
die Niederlande waren. Kaum ein Wort verstand ich. Wo die herkamen, musste
irgendwo in Flandern an der Sprachgrenze liegen – Leuven, Kortrijk oder
vielleicht Ieper.
Durch die Enge der Ortsdurchfahrt schlüpfte ich hindurch, in
Walporzheim lief das Ahrtal in einem schmalen Talkessel zusammen und bauschte
sich am Ortsende zu einer senkrechten Wand auf, an der sich Weinberge fest
krallten. Terrassen, aufgesetzt auf dicken Schichten von Schieferplatten,
ermöglichten es, dass die Weinberge bewirtschaftet werden konnten. Schicht für
Schicht, kletterten die Weinberge behutsam die steilen Hänge hinauf. Jedesmal
war die Fahrt durchs Ahrtal ein sorgsam inszeniertes Erlebnis. Tief
eingeschnitten in die auslaufenden Bergketten der Eifel war das Ahrtal so
rassig, so temperamentvoll wie wohl kaum ein anderes Tal. In Mäandern zog die
Ahr ihre Schleifen durchs Tal. Die Straße folgte in Kurven, deren Krümmungen
bisweilen in Haarnadelkurven ausarteten. Ruinenhaft senkte sich der griffige
Körper des Klosters Marienthal in ein Seitental. Allenthalben Restaurants,
Fremdenzimmer, Weinlokale, und manche Lokalitäten hießen „Biker herzlich
willkommen“.
Dernau: eingequetscht ins Tal, verließ ich an diesem Punkt
das Ahrtal – dem ich auf der Bundesstraße Richtung Altenahr hätte folgen
können. Ab hier musste ich mich einen vehementen Anstieg hoch arbeiten – es
waren gefühlte 8-10% Anstieg, hinauf von etwa 100 Meter auf 280 Meter Höhe. Da
diese Route zu meinen Lieblingsstrecken gehörte und da ich durch „Rund um Köln“
schon geübt war, kam mir der gewaltige Anstieg schon wie Routine vor. Ich
wusste, wie viel ich hinauf zu treten hatte, ich wusste, wie niedrig ich die Gänge
schalten musste. Die Kreuzung mit dem Rotweinwanderweg kannte ich, ebenso, an
welcher Stelle sich der Wanderparkplatz versteckte.
Der Anstieg legte den Blick frei auf ein gewaltiges
Panorama, wie sich das Tal in Schlangenlinien daher zog. Weinbau hatte sich an
den Berghängen festgesetzt. Wie so oft, knubbelten sich auf dem
Aussichtsparkplatz Autos und Motorräder. Nun konnte ich mit meinem Blick
abmessen , wie gewaltig der zurückgelegte Höhenunterschied war. Ein letzter
sehnsüchtiger Blick ins Ahrtal, dann drehte die Straße – immer noch mit
gefühlten 8-10% Anstieg – in die Grafschaft.
Ab Esch ging es bergabwärts. Vettelhofen, Gelsdorf, auf der
Bundesstraße nach Meckenheim begegnete ich wieder den Plantagen von
Apfelbäumen, die mit ihren Blüten schneeweiß über den Feldern flimmerten, und
flächendeckende Blütenteppiche reichten bis zu den Hängen des Kottenforstes.
Ich hatte Glück. Sonnenschein und ein strammer Rückenwind
trieben mich vorwärts. In der nunmehr flachen Ebene befand ich mich locker auf
dem Nachhauseweg. Umgekehrt – einen solchen strammen Gegenwind – das hätte ich
überhaupt nicht gebrauchen können.
Das Lesen deiner Radtour hat Spaß gemacht...hab dich im Geiste richtig strampeln sehen.*G*
AntwortenLöschenSchön,dass du den Sonnenschein auf deiner Seite hattest.
Danke für den tollen Bericht!
Viele Grüße,
Line (die auch mal wieder mit dem Fahrrad fahren sollte...)
Immer wieder schön zu lesen die Berichte von deinen Radtouren und man ist mitten drin im Geschehen.:-)
AntwortenLöschenBei uns in der Nähe sind vor kurzem 30 - 50 % der Kirschblüten erfroren, ein enormer Schaden für die Kirschenbauern.
Ahrweiler scheint ein sehr schönes Fachwerkstädtchen zu sein und nach so einer Kraftanstrengung hat man auch eine Pause verdient, um den Charme des Städtchens ein wenig zu genießen und die Seele baumeln zu lassen.
Anschließend wurdest du nach einem weiteren Kraftakt mit einer grandiosen Aussicht belohnt. :-)
Haha, Gegenwind hat kein Radfahrer gerne.
Liebe Grüße
Christa