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Dienstag, 29. November 2011

Hänneschen

Unsere Wege kreuzten sich kurz, genau gesagt, zwischen den Straßenbahnhaltestellen Köln-Deutz und Heumarkt. Auf der Deutzer Brücke schauten wir auf das Postkarten-Panorama von Köln: im Mittelpunkt der Kölner Dom mit seiner alles überragenden Größe; davor, nicht weniger beeindruckend, St. Martin mit seinem viereckigen Kirchturm; im Vordergrund ankerten die Ausflugsschiffe der Köln-Düsseldorfer.

Nachdem einige Fahrgäste in Köln-Deutz ausgestiegen waren, hatte sich eine Frau neben unsere Kleine gesetzt. Ihre dunkelbraunen Augenbrauen hoben sich scharf von ihrem grauen, kurzen Haar ab. Unvermittelt wanderte ihr Blick zu unserer Kleinen hinüber.
„Schöne Haare hast Du“ sagte sie zu unserer Kleinen und meinte ihre beiden sorgfältig geflochtenen Zöpfe.
„Ich gehe schon in die Schule.“
„Unsere Tochter ist schon groß. Sie studiert in Köln. Und was machst Du in Köln ?“
„Ich gehe ins Hänneschen Theater.“
„Was wird dort gespielt? Ein Weihnachtsmärchen ?“
„Ja“. bestätigte unsere Kleine.

Am Heumarkt, aus der Straßenbahn ausgestiegen, verloren sich unsere Wege. Die Frau traf eine andere Gruppe, blieb an der Haltestelle stehen und quasselte. Wir schoben uns über den Heumarkt. Über den Weihnachtsmarkt mit den Freßbuden und dem Kinder-Riesenrad, bis wir am Hänneschen-Theater ankamen. 

Vorhang auf, hieß es um 15 Uhr. Hänneschen und Bärbelchen fegten über die Bühne, und schnell entwickelte sich der bodenständige, Kölsche Humor: Tünnes mit seiner behäbigen und langsamen Art, Schäl auf seinen eigenen Vorteil achtend und Intrigen suchend, Speumanes mit seiner vom Spucken durchdrungenen Sprache. Schnell krümmten wir uns vor Lachen. Dabei zeichnete sich in Knollendorf eigentlich eine Katastrophe ab. Sonne und Mond spielten verrückt und gingen auf und unter, so wie sie lustig waren. Wenn die nächtliche Ruhe fehlte, hatte niemand mehr Lust, Weihnachten zu feiern. Die Eule Eulalia wies Hänneschen und Bärbelchen den Weg in den Himmel, wo die Engel und der Weihnachtsmann genauso beim Geschenke-Einpacken durcheinander gerieten. Sie gaben Bärbelchen und Hänneschen den entscheidenden Tipp: beim Eremiten Pendulus stand eine Wetteruhr, die bestimmt verrückt spielte. Wieder auf der Erde angekommen, fanden Hänneschen und Bärbelchen gemeinsam mit dem Sternenputzerengelchen Blinki in einem Waldstück Pendulus. Tatsächlich, im Uhrwerk der großen Wetteruhr hatte sich ein Mäusenest eingenistet, und nachdem die Mäusefamilie befreit war, zeigte die große Wetteruhr wieder die richtige Uhrzeit. In Knollendorf gingen fortan Sonne und Mond wieder zur richtigen Zeit auf, und es konnte Weihnachten gefeiert werden.

In Knollendorf versammelten sich alle um den großen Weihnachtsbaum und sangen ein Weihnachtslied:

O du fröhliche, o du selige,
gnadenbringende Weihnachtszeit!
Welt ging verloren, Christ ist geboren:
Freue, freue dich, o Christenheit!

In diesem Moment war die Vorweihnachtszeit bei mir angekommen. Das war rührend gespielt, eine schöne Geschichte, und im Theater sang eine überwältigende Anzahl von Besuchern mit. Ab diesem Moment würde ich mit einem anderen Blickwinkel über Weihnachtsmärkte gehen, nicht nur diese Ansammlung von Freßbuden oder die Warteschlangen vor den Glühweinständen sehen. Ich spürte, dass sich etwas in meinen Inneren regte, zu so einer Art von Kern des Weihnachtsfestes zu gelangen.

Als wir das Hänneschen-Theater verließen, turnte unsere Kleine prompt auf dem Millowitsch-Denkmal herum. Wir holten sie wieder herunter, damit nichts schlimmes passierte, ihr linker Arm war ja schließlich schon in Gips. Wir erzählten ihr von Willi Millowitsch. Dass er nicht mehr lebte und ein bekannter Kölner Volksschauspieler war. Kölsche Identität, ein Kölner Original. Wir schlenderten weiter, und mit der Straßenbahn ging es nach Hause zurück.

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