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Mittwoch, 4. Januar 2012

Nachlese 2011; gelesene Bücher - Teil 2

Kurz vor den Weihnachtsfeiertagen hatte ich "Die Hirntöterin" von Thea Dorn gelesen. Ich kannte Thea Dorn vom Literaturclub im SWR-Fernsehen. Als ich sie in der SWR1-Radiosendung „Der Abend“ mit ihrem neuen Buch „Deutschland – deine Seele“ hörte, wurde ich neugierig und bekam Lust etwas von ihr zu lesen. Daraufhin ersteigerte ich in Ebay ihren Kriminalroman „Die Hirntöterin“.


Die Hirntöterin ist eine schwer verdauliche Kost, zum einen, weil Thea Dorn auf unterschiedlichen Ebenen parallel erzählt, so dass man sich ständig neu in diese Erzählebenen hineinfinden muss, zum anderen weil Bruchstücke aus der griechischen Mythologie in die Erzählung hinein gestreut werden. Mir als Leser hat dies immens das Verständnis erschwert, da mir die griechische Mythologie allenfalls im Zusammenhang mit einzelnen philosophischen Werken (Bloch bzw. Schopenhauer) ein Begriff ist. Eine entsprechende Vorbildung – etwa durch ein geisteswissenschaftliches Studium – besitze ich nicht.

Das Konstrukt der Erzählung könnte glatt aus einem Horrorfilm stammen. Ein Serientäter begeht insgesamt vier Morde, indem er den Kopf vom Körper abtrennt, aus dem Kopf das Blut fließen lässt, vom Kopf das Gehirn mit Hilfe chirurgischer Werkzeuge spaltet und dieses ausschlürft.

Außer der Polizei treibt die Journalistin Kyra die Ermittlungen voran. Thea Dorns Sprache ist sehr real, direkt, die Charaktere sind mitten aus ihrem Leben beschrieben. Abseits der griechischen Mythologie ist der Kriminalroman durchaus einfach zu lesen und spannend geschrieben.

Nur: die sorgsam proportionierten Abfolgen der griechischen Mythologie lassen sich nicht überlesen, sie sind schließlich auch die Lösung des Falls. Es werden griechische Hexameter in einer deutschen Übersetzung rezitiert. Ich musste mich durch die Iliade und durch Odysseus hindurch kämpfen. Die Figuren einer Pallas Athene oder Elektra wurden mir an den Kopf geschmissen. Personen, von denen ich nie etwas gehört hatte – Tydeus oder Ugolino – musste ich über mich ergehen lassen. Ich wurde mit Begriffen aus der griechischen Philosophie konfrontiert: Eutyphia = zufälliges Glück bei Aristoteles oder Arete = Tugend bei Sokrates.

Zwischendurch hatte ich Thea Dorn verflucht, dass sie sich nicht auf das Niveau eines Lesers ohne entsprechende Vorbildung begibt und anstatt dessen erwartet, dass sich der Leser über diesen griechischen Kauderwelsch schlau macht, indem er liest, googelt, in eine Bücherei marschiert oder Experten in seinem Bekanntenkreis befragt oder sonstwie.

Als ein Mord direkt auf dem Pergamon-Altar im Berliner Pergamonmuseum geschieht, ahnte ich trotz meiner unzureichenden Vorbildung, dass es sich um einen reiligiösen Kult handeln muss. Eine Art von Opferung an die Götter, wie es sie bei Tieren gibt, die in Teile zerlegt werden, bei denen Blut fließt und die schließlich gegessen werden.

Thea Dorn lässt den Leser lange schmoren, bis gegen Ende des Romans die griechische Mythologie und das Täterprofil des Serientäters zusammengefügt werden. Es ist ein höchst theoretisches Konstrukt, dass der Mörder (tatsächlich ist es eine Mörderin) künstlich gezeugt worden ist und als idealer Mensch erzogen worden ist, der gebildet ist, rational, ohne Leidenschaft, ohne Triebe, nur nach dem höchsten strebend, in Freiheit handelnd. Das ist das Menschenbild, welches die griechische Antike geprägt hat.

Mit der Wirklichkeit konfrontiert, wirken Triebe – vor allem sexuelle Treibe – anderer Menschen auf dieses theoretische Konstrukt eines idealen Menschen ein. Dieser ideale Mensch ist nämlich ständig umgeben von Figuren, die ihren Trieben nachgehen – und dies ist vor allem ein ausschweifendes Sexualleben. Dieser ideale Mensch rächt sich und steigert sich in Horrorvisionen hinein, indem er zum Dämon mutiert und zur Hirntöterin wird, nachdem die Lust von Männern auf Sex sie angeekelt hat. Dabei ist das Gehirn ein Symbol dafür, dass die Triebe den Verstand lahm legen.

Die Hirntöterin hat sich mir erst beim zweiten Lesen erschlossen. Dazu habe ich Abstand gebraucht, um die Horrorszenen – abgetrennter Kopf und Spalten des Hirns – ertragen zu können und insbesondere ein paar Grundlagen der griechischen Mythologie studieren zu können, um die ganze Begriffswelt einordnen zu können. Ich musste einen Prozess durchlaufen, um diesen Kriminalroman als gelungen einstufen zu können ….

1 Kommentar:

  1. Man muss sich schon für diesen Stoff interessieren, um diese Art von Bücher bewältigen zu können.

    GlG von Berta

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